Von Magdeburg ausgehend wurde das Magdeburger Recht in Städten weiter Teile Mittel- und besonders Osteuropas übernommen. Dieses Netz von Städten wurde durch zahlreiche Rechtsverleihungen durch das gesamte Mittelalter und die frühe Neuzeit hindurch stetig erweitert. Der Schwerpunkt der Ausbreitung lag auf dem Gebiet der heutigen Staaten Polen, Tschechien und Ukraine sowie den heutigen deutschen Bundesländern Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Auch darüber hinaus wurden Magdeburger Recht und Sachsenspiegel übernommen und fanden Eingang in städtische und übergreifende Rechtsordnungen.
Die Ausbreitung des Magdeburger Rechts über die Mutterstadt hinaus begann ab der Mitte des 12. Jahrhunderts. Die ersten bekannten Städte, die das Magdeburger Recht aufnahmen waren Stendal, Leipzig und Jüterbog. Die vermutlich letzte Stadt, die mit dem Magdeburger Recht bewidmet wurde, war die damals russische und heute ukrainische Stadt Poltawa im Jahr 1752. In der Zwischenzeit verbreitete sich das Magdeburger Recht bis zur Newa im Norden des Baltikums, bis zum Dnjepr in der heutigen Ukraine und nach Hermannstadt/Sibiu im heutigen Rumänien.
Die Verbreitung des Magdeburger Rechts führte zur Entstehung enger stadtrechtlicher Verbindungen. Gleichsam formierten sich innerhalb des Städtenetzwerkes weitere örtliche Varianten. So spielte bei der Rezeption des Magdeburger Rechts in Osteuropa das polnische Herzogtum Schlesien eine bedeutende Mittlerrolle. Schon im 13. Jahrhundert wurde Städten wie Goldberg / Złotoryja (1211), Neumarkt / Środa Śląska (1235) und Breslau / Wrocław (1261) das Magdeburger Recht verliehen. Vor allem Neumarkt und Breslau verbreiteten als Schöffenstühle das Stadtrecht weiter nach Kleinpolen. Beispielsweise wurde bei der Neugründung Krakaus / Kraków im Jahr 1257 das Magdeburger Recht angewendet. Für die Verbreitung des Magdeburger Rechte im Deutschordensland war die Kulmer Handfeste – das Stadtrechtsprivileg der Städte Thorn / Toruń und Kulm / Chełmno (beide 1233) – von größter Bedeutung. Im Laufe der folgenden Jahrhunderte sollte das Magdeburger Recht stets weiter nach Osten wandern.
Weitere prominente Beispiele sind:
Im heutigen Polen:
Stettin / Szczecin (1243)
Krakau / Kraków (1257)
Danzig / Gdańsk (1295)
Im heutigen Ungarn:
Ofen / Buda (heute Teil von Budapest) (Mitte 15. Jh.)
Im heutigen Russland:
Königsberg / Калинингра́д (1286)
Im heutigen Tschechien:
Leitmeritz / Litoměřice (1262)
Prag (sog. „Kleinseite“) / Praha (1257)
Pilsen / Plzeň (1295)
In der heutigen Slowakei:
Sillein / Žilina (Mitte 14. Jh.)
Leutschau / Levoča (1370)
Im heutigen Litauen:
Wilna / Vilnius (1387)
Kaunas (1408)
In der heutigen Ukraine
Kiew / Київ (zwischen 1492/97)
Lemberg / Львів (1356)
Tarnopol / Тернопіль (1548)
Im heutigen Weißrussland:
Minsk / Мiнск (1499)
Brest / Брэст (1390)
Literatur:
Rolf Lieberwirth: Einführung oder Rezeption? Mittelalterliches Recht in slawischen Herrschaftsgebieten. Das Beispiel: Polen, in: Rechts- und Sprachtransfer in Mittel- und Osteuropa. Sachsenspiegel und Magdeburger Recht. Internationale und interdisziplinäre Konferenz in Leipzig vom 31. Oktober bis 2. November 2003 (Ivs saxonico-maidebvrgense in oriente, 1), hg. von Ernst Eichler u. Heiner Lück, Berlin 2008, S. 167 ff.
Heiner Lück: Die Verbreitung des Sachsenspiegels und des Magdeburger Rechts in Osteuropa, in: Der sassen speyghel. Sachsenspiegel – Recht – Alltag, Band 2, hg. v. Mamoun Fansa, Oldenburg 1995, S. 37 ff.
Heiner Lück: Sachsenspiegel und Magdeburger Recht. Europäische Dimensionen zweier mitteldeutscher Rechtsquellen (Adiuvat in itinere V), Hamburg 1998.