Magdeburger Schöppenchronik

Als Magdeburger Schöppenchronik wird ein Geschichtswerk aus dem 14. und 15. Jahrhundert bezeichnet, das als wichtige Quelle für die Magdeburger Stadtgeschichte gilt. Es entstand in der Zeit von 1360 bis 1468 und wurde in niederdeutscher Sprache verfasst. Der Titel ist nicht der ursprüngliche Name, das Werk wurde jedoch ab dem 16. Jahrhundert so bezeichnet. Diese Bezeichnung stammt zum einen daher, dass die Schriften für den amtlichen Gebrauch durch den Schöffenstuhl gedacht waren, zum anderen daher, dass der erste Verfasser ab 1350 als Stadtschreiber des Schöffenstuhls in Magdeburg tätig war (siehe Glossareintrag zu Schöffen und Schöffenstuhl). Dieser begann etwa um 1360 wichtige Ereignisse der Stadt niederzuschreiben. Durch die Fülle an rechtshistorischen Inhalten unterscheidet sich die Magdeburger Schöppenchronik von vielen anderen Stadtchroniken und gibt einen Einblick in das Rechtsleben des Mittelalters.

Abb. 1: Magdeburger Schöppenchronik, Letztes Viertel 15. Jahrhundert, Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Berlin, Ms. boruss. fol. 172, fol. 1r.

Das Werk wurde in drei Bücher aufgeteilt und von verschiedenen Autoren verfasst. Das erste Buch beginnt mit der Entstehung Magdeburgs. Der zweite Teil fährt mit Kaiser Otto I. und der Gründung des Erzbistums Magdeburgs fort, darüber hinaus werden weitere Ereignisse bis 1350 dargestellt. Der dritte Teil beschreibt die Zeit ab 1350 und beginnt mit der Schilderung einer Pestwelle mit gravierenden Folgen (dem „groten stervende“ des Jahres 1350). Der Verfasser des dritten Teils lebte zu der von ihm beschriebenen Zeit, wodurch er eigene Erfahrungen und Erlebnisse in die Schriften miteinfließen ließ.

Vermutlich legte der erste Verfasser der Schöppenchronik 1372 seine Feder nieder, wohlwissend, das Buch nicht vollendet zu haben. Sein Wunsch war es, dass nachfolgende Stadtschreiber des Schöffenstuhls die Chronik weiterführten. Von dem Zeitpunkt an folgten weitere Autoren, die entweder qua Amt dazu verpflichtet waren, die Schriften zu ergänzen und zu überarbeiten oder dies freiwillig taten. Sie fügten neue Berichte sowie Nachträge hinzu, kürzten ältere Passagen und veränderten somit bereits die Urform. Zum Ende des 15. Jahrhunderts wurde die Schöppenchronik das erste Mal abgeschrieben. Im 16. Jahrhundert folgte eine weitere Abschrift, erstmals mit Ereignissen aus dem 16. Jahrhundert bereichert. Eine spätere Übersetzung in die hochdeutsche Sprache erweiterte die Chronik bis in das Jahr 1566. Der dritte Teil wurde demnach stets umfangreicher, während die ersten beiden Bücher im Laufe der Zeit eher gekürzt wurden.

Insbesondere der erste Verfasser der Schöppenchronik versuchte die Geschichte der Stadt für die Rezipienten so darzustellen, dass in der Stadtbevölkerung ein einheitliches, allgemeingültiges Bild der Stadtgeschichte entstand. Dadurch hatte das Werk eine identitätsstiftende Funktion. Zudem sollte die Schrift dazu beitragen, aus der Vergangenheit zu lernen und für die Zukunft Lösungen für Streitfragen bereitzustellen. Auch aus diesem Grund dauerte die Fortschreibung der Bücher bis zum Ende des 16. Jahrhunderts an. Die Magdeburger Schöppenchronik wurde mitunter als literarisches Denkmal bezeichnet, da sie eine gewisse Wirkmacht besaß. Es handelte sich allerdings um kein vollendetes, gebundenes Buch. Vielmehr bestand das Werk aus gesammelten Schriften, Übersetzungen und einzelnen Berichten, die teils erst später nachgetragen wurden. Demnach wurden lediglich einzelne Blätter der Chronik überliefert. Heute erhaltene Exemplare stammen vornehmlich aus der Zeit nach 1468.

Alle Teile der Chronik sind vor allem von rechtshistorisch relevanten Inhalten geprägt. Die Verfasser nahmen häufig Bezug auf bestehende Rechtsbücher wie den Sachsenspiegel. Die Geschichten schilderten mitunter Vorgänge des Rechtlebens. Die erhaltenen Texte geben bis heute Einblicke in das damalige Gerichts- und Städtewesen Magdeburgs. Somit ist die Magdeburger Schöppenchronik eine bedeutsame rechtshistorische Quelle und ein wichtiger Bestandteil der Erforschung des Magdeburger Rechts.

Trotz des hohen Stellenwerts des Werkes, wurde es bis heute noch nicht systematisch analysiert. Die existierenden Untersuchungen widersprechen sich teilweise und lassen dadurch nur wenig gesichertes Wissen zu. So ist heute zum Beispiel unklar, wer der erste und wer die darauffolgenden Verfasser waren. Älteren Forschungen zufolge könnte es sich bei dem ersten Verfasser um den Priester und Chronisten Heinrich von Lammesspringe (1325-1386) handeln. Auch die darauffolgenden Autoren werden im 19. Jahrhundert noch namentlich benannt. Neuere Forschungen zweifeln jene Aussagen jedoch an. Weitere Analysen und Untersuchungen zu der Magdeburger Schöppenchronik sind daher wünschenswert.

Autorin: Julia Münker

 

Literatur:

Clemens Bergstedt: Engelbert Wusterwitz, Johann Goldener und die Magdeburger Schöppenchronik (1411–1421), in: Sachsen und Anhalt: Jahrbuch der historischen Kommission für Sachsen-Anhalt 30 (2018), S. 173–204.

Ferdinand Frensdorff: Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert, in: Göttingische Gelehrte Anzeigen (1869), S. 1619–1640.

Karl Janicke: Magdeburger Schöppenchronik (=Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert, Bd. 7), hg. v. der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Göttingen 1869.

Klaus Graf: Die Magdeburger Schöppenchronik. Eine Anregung für die Forschung, in: Sachsen und Anhalt: Jahrbuch der historischen Kommission für Sachsen-Anhalt 30 (2018), S. 131–172.

Volker Henn: Magdeburger Schöppenchronik, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Bd. 5, 2., völlig neu bearbeitete Auflage, hg. v. Kurt Ruh u.a., Berlin, New York 1985, S. 1132–1142.

 

Zitation:

Julia Münker: Magdeburger Schöppenchronik, in: Das Magdeburger Recht. Baustein des modernen Europa, 09.10.2023, https://magdeburg-law.com/de/magdeburger-recht/glossar/magdeburger-schoeppenchronik/

 

Bildnachweis:

Abb. 1: Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Public Domain Mark 1.0