Wusterhausen (Dosse) In Karte lokalisieren

Wenn das Stadtrecht einen Fluss einschließt:

Mit dem Aussterben der Grafen von Lindow-Ruppin 1525 fertigte der promovierte kurfürstlich-brandenburgische Rat Wolfgang Redorf im Auftrag seines Landesherrn Joachim I. ein Register der an Brandenburg zurückgefallenen Grafschaft an. Bezüglich Wusterhausen (Dosse) führt das Register aus: „die von Wusterhausen sind Zoll frey allerley Zoll zu Wasser vndt Lande, gleichmessig den anderen merkischen Städten.“[1] Dies belegt, dass Wusterhausen innerhalb Brandenburgs keine unbedeutende Stadt war. Im Gegenteil erhielt die hiesige Bürgerschaft um 1232 das Magdeburger Recht, das neben Brandenburg, Berlin, Cölln und Frankfurt an der Oder viele weitere märkische Kommunen besaßen. Dieses bedeutsame Recht war in erster Linie mit kommunaler Selbstverwaltung verbunden, besagte also, dass eine städtische Gemeinde ihre Angelegenheiten selbst entscheiden durfte. Es billigte der Stadt aber auch wirtschaftliche Freiheiten zu, wozu insbesondere der Marktverkehr und zollrechtliche Befreiungen zählten.

Wusterhausen hatte sein Stadtrecht nicht direkt aus Magdeburg, sondern durch Vermittlung Stendals erhalten. Das ist insofern wichtig, als hierin der Grund für die Übertragung einer Reihe wichtiger Handels- und Marktrechte liegt, die somit auch in Wusterhausen galten. Die Beziehungen in die Altmark blieben über den Zeitpunkt der Stadtrechtsübernahme hinaus bestehen. Dies betraf den Handel und die Schifffahrt, die von Wusterhausen auch in das Gebiet links der Elbe führten, wie noch zu zeigen sein wird.

Abb. 1: Das Rathaus in Wusterhausen (Dosse)

Zunächst jedoch ein weiterer Blick in das Redorfsche Register, das bezüglich der Wusterhausener Bürger fortfährt: „sie haben frey den Fluss an der Dosse, Das man den flus nit Verpauen muess mit fischwehren, auch Kein Kain darauff haben magk, allein die von wusterhausen muegen einen Kain daruf haben vndt fischen: es mues auch kain steg darueber gemacht werden umb befestigung willen des Landes, Auch von wegen des freyen flusses zu den mollen, die des orths allendthalben gelegen sein.“

Anhand dieser Ausführungen lassen sich verschiedene Rechte ausmachen, die Wusterhausen im Hinblick auf den Fluss besaß. Die mit Abstand wichtigste Regelung war, dass die Dosse freibleiben sollte, also nicht mit wasserbaulichen Anlagen verstellt oder gesperrt werden durfte. Explizit werden Fischwehre genannt, die oft in Gewässer hineingebaut worden sind, indem sie im Grund bzw. am Ufer festgemacht wurden. Hierdurch war es Schiffen und Kähnen oft unmöglich, weiterzufahren. Aus diesem Grund stellte man in vielen anderen Fällen sogenannte Halbwehre auf, die nicht den ganzen Fluss blockierten. Eine weitere Möglichkeit Fischfang und Schifffahrt in Einklang zu bringen war, Fahrrinnen freizuhalten, die die Schiffe als Passage nutzen konnten. Dieses funktionierte allenfalls auf größeren Flüssen und Seen. Für die kleine Dosse kamen solche Maßnahmen nicht in Frage, weshalb es nicht verwundert, dass dieser Fluss von Fischwehren komplett befreit sein sollt. Folglich wurde die Fischerei hier wohl vornehmlich vom Ufer bzw. Kahn aus betrieben.

Abb. 2: Wusterhausen im flussgestützten Wegenetz zwischen Elbe und Havel (Kartographie: Ellen Franke, Berlin)

Wusterhausen hatte es zudem vermocht, sich die alleinige Ausübung des Fischfangs vom Kahn aus anzueignen. Dass diese Regelung, wie das Register besagt, für die ganze Dosse galt, ist allerdings zu bezweifeln. Zu viele Nachweise sprechen dafür, dass auch andere Parteien auf dem Fluss fischten. Was das Register von Wolfgang Redorf wohl besagen möchte ist, dass im städtischen Gebiet Wusterhausens, also innerhalb seines Weichbildes und den Grenzen seiner Feldmark, keine andere Partei frischen durfte. Ein weiteres wichtiges Privileg besagte, dass keine Stege und Brücken über die Dosse gelegt werden durften, was freilich wiederum der Schifffahrt, aber auch dem freien Lauf des Wassers für die Mühlen diente. Damit sind im Register Redorfs in komprimierter Form die umfänglichen Rechte Wusterhausens in Bezug auf die Dosse festgehalten worden. Es entsteht der Eindruck einer regen Flussnutzung, die sowohl Schifffahrt, Fischerei als auch Mühlenwirtschaft einschloss.

Dem Register ist außerdem zu entnehmen, dass sich in Wusterhausen „ein saltz Kisten“ befand. Der Begriff verweist auf die Salz-Niederlage in der Stadt, wie bereits der bekannte Stadthistoriker Karl Altrichter 1888 feststellte.[2] Möglicherweise stammte dieses Salz aus dem Raum um Lüneburg, aber auch Halle und der Magdeburger Raum um das heutige Bad Salzelmen kommen als Zulieferer in Frage. Um den Salzhandel herum entwickelten sich wiederum einige rechtliche Organisationsformen. Nicht zuletzt die Dosse dürfte für den Transport des Salzes genutzt worden sein. Gerd Heinrich vermutet, dass es in Wusterhausen direkt am Fluss gestapelt worden sei.[3]

Im Redorfschen Register findet sich zur Salz-Niederlage eine weitere wichtige Bemerkung, wonach kein fremder Salzführer – gemeint waren die nicht in Wusterhausen lebenden Transporteure – das Salz bis zum Fluss Temnitz bringen durfte. Diese auf den ersten Blick unscheinbare Richtlinie gewinnt erst durch das Wissen an Relevanz, dass dieser kleine Fluss die Grenze des sog. Landes Wusterhausen bildete. Verklausuliert steckt hinter der Formulierung die Verpflichtung, das Salz nach Wusterhausen zu bringen und nicht daran vorbei zu führen. Eine zusätzliche Regelung verdient hierbei Beachtung. Sie lautete, dass die Umfahrung „auch nicht vmbher vfs Landt“ erfolgen durfte. Dies lässt die Vermutung zu, dass die Dosse später als sog. Salzstraße genutzt wurde und somit Gerd Heinrich zuzustimmen ist. Der Verlauf dieser Wasserstraße führte direkt in die Stadt Wusterhausen hinein, woran noch heute mit der Straßenbezeichnung „Schifffahrt“ erinnert wird.

Abb. 3: Die „Schifffahrt“ im historischen Stadtkern Wusterhausens; hier endete im Mittelalter der in die Stadt gezogene Schifffsverkehr (Foto: Erik-Jan Ouwerkerk).

Wie lange die rechtlich abgesicherten Schifffahrtsunternehmungen Wusterhausens andauerten, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen. Oft kam der Verkehr auf kleineren Flüssen wie der Dosse bereits im Übergang zum 16. Jahrhundert zum Erliegen. Hinzu kam, dass der brandenburgische Landesherr etwa zur gleichen Zeit verstärkt gegen Verbindungen in die Hanse vorging, von denen die brandenburgischen Städte seit dem Mittelalter profitierten. Dass der Wasserweg aber auch im 15. Jahrhundert für Wusterhausen noch eine wichtige Rolle spielte, beweist eine zollrechtliche Regelung, die um 1440 aufgestellt worden ist. Konkret betraf sie den Ort Werben an der Elbe, der für die Schifffahrt und den Schiffbau sehr bedeutsam war. Die erwähnte Zollregelung galt für Arneburg, genau genommen für den St.-Johannes-Altar in der dortigen Kapelle, in den finanzielle Mittel aus dem Land- und Wasserverkehr fließen sollten. Zahlreiche brandenburgischen Städte finden in diesem Zusammenhang Erwähnung. Es verdeutlicht, dass diese die Kommune Werben vor allem auf dem Wasserweg passierten. Neben Kyritz, Pritzwalk, Perleberg, Lenzen, Wittenberge, Havelberg, Brandenburg, Spandau, Rathenow und Nauen wird auch Wusterhausen erwähnt und zur Zahlung des „scheptolles und bodemtolles“ als pflichtig angesehen. Als zu verzollende Güter werden u.a. Leder, Tuch, Hering, Öl, Salz, Wolle, Zerbster Bier und Mühlensteine erwähnt. Folglich wurden die Elbe und ihre Nebenflüsse Mitte des 15. Jahrhunderts rege genutzt und waren auch die an kleinen Flüssen gelegenen Städte wie Wusterhausen eingebunden.

Zusammengefasst verdeutlicht das Beispiel Wusterhausen umfängliche, mit dem Stadtrecht einhergehende rechtliche, logistische und infrastrukturelle Aspekte, die v.a. die Dosse einbezogen. Sie war über das Weichbild hinaus ein wichtiger Gegenstand rechtlicher Übereinkünfte und Regelungen. Wusterhausen wirkte so weit in sein Umland hinein, wie es für mittelalterliche Städte geradezu typisch war, sofern sie über Privilegien und Macht verfügten, die solche Ausgriffe zuließen.

Autor: Sascha Bütow

Anmerkungen:

[1] Adolf Friedrich Riedel (Hg.): Codex Diplomaticus Brandenburgensis, Reihe A, Bd. 4, Berlin 1844, Nr. 107, 151–184.

[2] Vgl. Karl Altrichter: Geschichte der Stadt Wusterhausen an der Dosse, Wusterhausen 1888, S. 17f.

[3] Vgl. Gerd Heinrich: Wusterhausen, in: ders.: Handbuch der historischen Stätten Deutschlands, Bd. 10: Berlin und Brandenburg, hg. v. Gerd Heinrich, Stuttgart 19953, S. 399–400, hier S. 400.

 

Zitation:

Sascha Bütow: Wusterhausen (Dosse). Wenn das Stadtrecht einen Fluss einschließt, in: Das Magdeburger Recht. Baustein des modernen Europa, 08.12.2021, https://magdeburg-law.com/de/magdeburger-recht/historische-staedte/wusterhausen/

Bildnachweise:

Abb.1: wikimedia commons, public domain, Foto: Clemensfranz

Abb.3: Potsdam, Arbeitsgemeinschaft „Städte mit historischen Stadtkernen“ des Landes Brandenburg