Der Ursprung des Magdeburger Rechts als überregional gültigem kommunalem Normensystem liegt im Stadtrecht der Handelsmetropole an der mittleren Elbe selbst. Seine Bestimmungen zum Verhältnis der städtisch-bürgerlichen und landesherrlichen bzw. stadtherrlichen Einflusssphären wirkten vorbildhaft für die Entfaltung von Handwerk und Handel.
Ausgangspunkt der Entwicklung Magdeburgs und damit auch seiner rechtlichen Konstitution war die Förderung der Stadtentwicklung durch die ottonischen Herrscher und hier insbesondere durch Otto den Großen (reg. 936−973) und seinen Sohn Otto II. (reg. 973−983). Mitte des 10. Jahrhunderts schufen zahlreiche Handels-, Zoll- und Reiseprivilegien die Voraussetzungen für die Entstehung einer städtischen Kaufmannschaft. Deren Recht, das ius mercatorum, wurde wiederum Grundlage für das spätere Stadtrecht, das in seinem Kern stets Kaufmannsrecht blieb. Spätestens um die Mitte des 12. Jahrhunderts muss ein Stadtrecht in Magdeburg existiert haben, das jetzt bereits auf andere Städte wie Stendal, Leipzig und Jüterbog übertragen wurde.
Das Zeugnis dafür liefert die älteste erhaltene Schriftquelle zum Magdeburger Recht aus dem Jahr 1188. In diesem Privileg verfügte der Stadtherr, Erzbischof Wichmann, über formale Erleichterungen im städtischen Gerichtsverfahren, die insbesondere Auswärtige und fremde Kaufleute betrafen. Da in diesem Privileg Änderungen beziehungsweise Erweiterungen des bereits bestehenden städtischen Rechtslebens vorgenommen worden, muss bereits vor diesem Zeitpunkt ein Recht existiert haben, dass sich deutlich von dem im Umland gültigen Sachsenrecht abhob. Somit markiert das Privileg zwar nicht die Geburtsstunde des Magdeburger Rechts, aber einen bedeutenden Punkt in seiner fortlaufenden dynamischen Entwicklung.
Ein zentrales Element der Stadtverfassung Magdeburgs war der sogenannte Schöffenstuhl, ein Kollegium aus Urteilern, denen die Rechtsprechung oblag. Er hatte großen Anteil an der Ausgestaltung des Magdeburger Stadtrechts. Spätestens 1244 gab es außerdem einen Stadtrat, der für die Stadtverwaltung verantwortlich war. Um die Jahrhundertwende vom 13. zum 14. Jahrhundert konnte der Rat die Aufgaben der städtischen Rechtsprechung, Rechtssetzung und der Stadtverwaltung endgültig für sich vereinnahmen und die Schöffen auf ihre rechtsprecherische Funktion im Schöffenstuhl beschränken – eine Entwicklung, die auch in zahlreichen Tochterstädten nachzuverfolgen ist. Es kam also zu einer Differenzierung vom Schöffenstuhl und dem Gericht für die Magdeburger Bürger. Der Schöffenstuhl wurde demnach mehr und mehr aus seiner zentralen Rolle in der Stadt verdrängt und war nun für andere Städte rechtsberatend tätig.
Generell ist festzuhalten, dass sich das Magdeburger Recht ständig weiterentwickelte und den jeweiligen Gegebenheiten vor Ort anpasste. Zwar büßte der Schöffenstuhl im Zuge des fortschreitenden Ausbaus der Landesherrschaften und der langsamen Entstehung von Nationalstaaten seine bedeutende Rolle ein, doch behielt das Magdeburger Recht als solches in vielen Gebieten Osteuropas noch bis ins 19. Jahrhundert hinein seine Geltung.
Literatur:
Heiner Lück: Einführung: Das sächsisch-magdeburgische Recht als kulturelles Bindeglied zwischen den Rechtsordnungen Ost- und Mitteleuropas, in: Rechts- und Sprachtransfer in Mittel- und Osteuropa. Sachsenspiegel und Magdeburger Recht. Internationale und interdisziplinäre Konferenz in Leipzig vom 31. Oktober bis 2. November 2003 (= Ivs saxonico-maidebvrgense in oriente 1), hg. v. Ernst Eichler u. Heiner Lück, Berlin 2008, S. 1 ff.
Heiner Lück: Sachsenspiegel und Magdeburger Recht. Europäische Dimensionen zweier mitteldeutscher Rechtsquellen (= Adiuvat in itinere V), Hamburg 1998.