Weichbild(-recht) und Sächsisches Weichbild

Der Begriff Weichbild hat seinen Ursprung im Mittelniederdeutschen wikbelde und fand ab dem 12. Jahrhundert Verbreitung im nord- und mitteldeutschen Raum. Der Wortbestandteil wik verweist auf präurbane Ursprünge und bedeutet so viel wie Dorf, Hof oder selbständige Siedlung. Häufig ist er in Ortsnamen wie beispielsweise Brunswik (Braunschweig) zu finden. Das Grundwort bild leitet sich wiederum von bilida (Recht) ab.

Im Verlauf seiner rechtssprachlichen Entwicklung besaß das Wort Weichbild unterschiedliche Bedeutungen. In seinem Ursprung im
12. Jahrhundert beschrieb es im westfälischen Raum eine besondere Form der Erbleihe, d. h. der vom Herrscher verliehenen Besitz wurde dabei erblich gemacht. Damit verbunden war ein Grundbesitzrecht, das die Zugehörigkeit zur dörflichen Siedlungsgemeinschaft brachte. Mit einem spezifisch städtischen Recht hatte dies nichts zu tun. Nach 1200 erweiterte sich der Begriff auf den „Ortsbezirk, in dem dieses Recht gilt“. Damit beschrieb der Begriff nicht mehr nur Inhalte und Form der Rechtsquelle, sondern auch die räumliche Dimension seiner Gültigkeit. Während also im westfälischen Raum Weichbildorte nicht zwangsläufig mit einer Stadt gleichzusetzen waren, verhalf in den Gebieten östlich von Elbe und Saale das Weichbildrecht zur Städtegründung. Das Wort Weichbild wandelte sich sogar zu einer Bezeichnung für den Stadtgerichtsbezirk oder das ganze Stadtgebiet. Der Begriff Weichbildrecht wurde demnach mehr und mehr zu einem Synonym für das Stadtrecht. Gleiches geschah im Geltungsbereich des Magdeburger Rechtes.

Wenngleich es wohl nie zu einer vollständigen Aufzeichnung des Magdeburger Stadtrechtes kam, entstand im 13. Jahrhundert im Umkreis der Magdeburger Schöffen eine Darstellung des geltenden Rechtes in Form eines mehrteiligen Rechtsbuches. In seinem Kern umfasst diese Privatarbeit, die zu den bedeutendsten Magdeburger Rechtsbüchern gehört, zwei kurze Rechtsaufzeichnungen: 1. das „Magdeburger Schöffenrecht“ und 2. das „Rechtsbuch von der Gerichtsverfassung“ (auch bezeichnet als Weichbildrecht). Erstere beinhaltet zunächst eine kurze historische Einleitung zur Stadtgeschichte, die von der Gründung der Stadt unter Otto dem Großen (reg. 936−973) und von der Bewidmung der Stadt mit Weichbildrecht unter Otto II. (reg. 973−983) berichtet. Daran anschließend folgen einige Regelungen zum Magdeburger Schöffenstuhl, die auf der Rechtsweisung der Magdeburger Schöffen für Breslau aus dem Jahr 1261 basieren und durch zusätzliche Schöffensprüche erweitert wurden. Der zweite Teil des Rechtsbuches beschreibt die verschiedenen Magdeburger Gerichte samt ihre Zuständigkeiten und Verfahrensgrundsätze. In späterer Zeit wurden die Texte durch eine Einleitung einschließlich der Einordnung des Weichbildrechtes in die allgemeine Rechtsordnung ergänzt.

Die sogenannte Weichbildchronik liefert einen knappen Abriss der Universalgeschichte von der Schöpfung bis hin zu den deutschen Königen, an deren Anfang Otto I. steht und die mit Wilhelm von Holland (reg. 1254−1256) enden. Nachrichten von Päpsten und Magdeburger Erzbischöfen wurden ebenfalls mit aufgenommen. Gemeinsam mit der Weichbildchronik bilden die oben genannten Rechtsaufzeichnungen die Weichbild-Vulgata, auch bekannt als Sächsisches Weichbild. Wann genau sie erstmals zusammengefügt worden sind, ist unklar, vermutlich jedoch um die Wende zum 14. Jahrhundert. Insgesamt wurde das Sächsische Weichbild in 134 Handschriften und Fragmenten überliefert, einzig der Sachsenspiegel und der Schwabenspiegel sind häufiger erhalten. In der Mitte des 14. Jahrhunderts begann die Glossierung der Weichbild-Vulgata, die außerdem ins Lateinische, Polnische und Tschechische übersetzt wurde und somit einen wesentlichen Beitrag zur Verbreitung des Magdeburger Rechtes in Osteuropa leistete.

 

Literatur:

Karl Kroeschell: Art. „Weichbild, Weichbildrecht“, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 8, München 2003, Sp. 2093 ff.

Hiram Kümper: Sachsenrecht. Studien zur Geschichte des sächsischen Landrechts in Mittelalter und früher Neuzeit (= Schriften zur Rechtsgeschichte 142), Berlin 2009, S. 392 ff.