Dahme / Mark In Karte lokalisieren

Magdeburger Recht in einer Flämingstadt

Für das an einer wichtigen Verkehrsstraße zwischen Magdeburg, der Niederlausitz und dem Spreewald gelegene Dahme ist wie für viele andere Städte keine Stadtrechtsurkunde aus dem Mittelalter überliefert. Hinzu kommt, dass das ratsherrliche Archiv 1503 „durch feuersnoth“ in Brand geriet und dadurch sämtliche „privilegien, freyheite[n] und gerechtigkeiten“ verloren gegangen sind.[1] Welche Rechtsgewohnheiten in Dahme herrschten, kann somit nicht eindeutig beantwortet werden. Die ältere heimatgeschichtliche Forschung ging etwa mit Blick auf Werner Reinhold davon aus, dass „das berühmte Luckauer Stadtrecht und die dasigen Handels- und Zunfteinrichtungen auch hier in Dahme galten.“[2] Tatsächlich hatte sich das Luckauer Recht, welches mit dem Magdeburger eng zusammenhing, im Verlauf des Mittelalters innerhalb der Niederlausitz auch auf andere Kommunen wie etwa Beeskow ausgebreitet.[3] Dies sorgte dafür, dass die Luckauer Schöffen diesem Kreis rechtsverwandter Städte als Oberhof dienten und im Falle strittiger Rechtsfragen Auskünfte erteilten. Die räumliche Nähe Dahmes zu Luckau und der zwischen beiden Städten verlaufende Handelsverkehr[4] lassen vermuten, dass Reinholds Auffassung durchaus der Wahrheit entsprechen könnten, wenngleich es keine direkten Nachweise dafür gibt. Andererseits sollte keineswegs der direkte Bezug zu Magdeburg außer Acht gelassen werden, der sich innerhalb der mittelalterlichen Stadtgeschichte Dahmes immer wieder bemerkbar machte und im Folgenden in einigen wenigen Etappen thematisiert werden soll.

Abb. 1: Das Rathaus Dahme wurde im Stil der Neorenaissance in den Jahren 1893/94 errichtet. Es unterstricht das Selbstverständnis der Bürgerschaft (Wikimedia Commons, Foto: Jan-Herm Janßen).

Als Stadt (civitas) wird Dahme erstmals 1265 in einer Urkunde seiner Herren, Richard der Ältere und Richard der Jüngere von der Dahme, erwähnt. Beide hatten die Stadtgemeinde sowie umliegende Dörfer von Zollzahlungen befreit und entsprachen dabei zugleich einer Bitte der Zisterzienser in Doberlug, auch das ihnen gehöhrende Dorf Kemnitz in diese Vergünstigung einzubeziehen.[5] Die Herren von der Dahme ihrerseits waren Lehnsmänner des Erzbischofs von Magdeburg. Ursprünglich hatte Erzbischof Wichmann 1185 eine Erweiterung des ihm gehörenden Landes (terra) Jüterbog erreicht und diesem das Gebiet um Dahme hinzugefügt. In diesem Zusammenhang muss darauf verwiesen werden, dass es ebenfalls Wichmann war, der Jüterbog 1174 mit Magdeburger Recht ausgestattet und dabei verfügt hatte, dass sich alle weiteren im Land Jüterbog entstehenden Stadtgemeinden an die in Jüterbog herrschenden Rechtsgewohnheiten halten sollten.[6] Aus dieser Perspektive liegt es nahe, dass sich auch die Bürgerschaft in Dahme an diese Bestimmung hielt und sich mit Rechtsfragen an Jüterbog und dessen Schöffen wandte.

Dass sich die Bürgerschaft in Dahme nach Magdeburger Vorbild organisierte, belegt die Aufteilung der städtischen Rechtsprechung zwischen Rat und Schöffen, die als „Grundstruktur“ des Magdeburger Rechts gilt.[7] Beide Gremien vertraten gemeinsam mit der Bürgerschaft die Stadt nach außen, wobei diese Trias im Konsens Verträge und Übereinkünfte schloss. Ein prägnantes Beispiel hierfür stammt aus dem Jahr 1309, in dem die Stadt Dahme den Städten Berlin und Cölln die Anerkennung eines von Hermann von Barby, Bernhard von Plötzke und Konrad von Redern ausgehandelten Landfriedens urkundlich bestätigte.[8] Damit erging zugleich das Versprechen, in Brandenburg straffällig gewordene Personen auch in Dahme als Geächtete anzusehen und aufzugreifen. Selbstbewusst übernahm die dortige Bürgerschaft somit eine über die Grenzen verschiedener Fürstentümer hinweg aufgerichtete Strafverfolgung, die sich insbesondere gegen Straßenräuber richtete.[9]

Innerstädtisch versuchte sich der Rat der Stadt Dahme gegen Einflüsse wendisch stämmiger Einwohner abzugrenzen und erwirkte einer chronikalischen Überlieferung nach von Erzbischof Friedrich von Magdeburg 1452 ein Privileg, demgemäß es Wenden untersagt wurde, in das Ratskollegium aufzusteigen bzw. Mitglied der Gilden der Schuster und Tuchmacher zu werden.[10] Hiermit bettet sich die Stadt in eine auch bei anderen nordostdeutschen Städten zu beobachtende Entwicklung ein, die sich in Gestalt der so genannten Wendenparagraphen niederschlug.[11] Die damit verbundene Diskriminierung der Wenden entsprach jedoch keineswegs modernen rassischen oder nationalen Ressentiments. Viel eher handelte es sich dabei um „wirtschaftlich motivierte Gummiparagraphen, mit denen man unliebsame Konkurrenz fernhalten konnte.“[12] Treibende Kräfte waren hierbei vor allem die Zünfte, die ihre Neuaufnahmen durch Regulierung der Eintritte konstant halten wollten. Zudem trachteten die Städte danach, den Zuzug aus dem zumeist von Wenden bewohnten ländlichen Umland zu reglementieren. In Dahme setzte sich der „Wendenparagraph“ nicht dauerhaft durch, sondern wurde zugunsten eines 1467 erhaltenen Privilegs in großen Teilen rückgängig gemacht. Demnach hatte Erzbischof Johann von Magdeburg erlaubt, dass die in Dahme wohnhaften Wenden fortan in die städtischen Zünfte eintreten durften. Interessanterweise wurde darin ein Mittel zur Steigerung der städtischen Prosperität gesehen.[13]

Abb. 2: Die Stadtmauer von Dahme markierte auch baulich die räumliche Trennung von Stadt- und Landrecht. Sie ist zu 80% erhalten geblieben und zählt heute zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt Dahme (Wikimedia Commons, Foto: Doris Antony).

Letztere hing in besonderer Weise von Rechten ab, die Dahme Zugriff auf sein Umland erlaubten. Hier stieß die Bürgerschaft mitunter jedoch auf Nutzungsinteressen anderer Gemeinschaften, so dass neue rechtliche Aushandlungen nötig wurden. Beispielsweise geriet die Bürgerschaft in Dahme mit den benachbarten Dorfgemeinschaften in Rietdorf und Gebersdorf in einen Interessenkonflikt um eine Viehweide namens „mosebruch“. Auf dieser durfte einer Urkunde Erzbischof Günthers von Magdeburg aus dem Jahr 1417 die „gemeyne viehe trifft“ ausgeübt werden, die eine gleichberechtigte Nutzung durch die Anrainer vorsah.[14] Insofern sollten gegenseitige Pfändungen unterbleiben. Bei dieser angedachten Eintracht blieb es allerdings nicht, denn 1482 war ein neuerlicher Rechtsstreit um das Weidegebiet ausgebrochen. Eine einfache Übereinkunft reichte nun nicht mehr. Stattdessen wurde auf Geheiß des noch jungen Herzogs Ernst von Sachsen als Administrator der Magdeburger Kirche eine aus drei seiner Räte bestehende Untersuchungskommission nach Dahme gesandt, um ein Schiedsspruch zu vermitteln. Dieser sah u.a. vor, für die Bauernschaft aus Gebersdorf auf dem „mosebruch“ ein ausgemessenes und fest abgestecktes Weidegebiet zu schaffen, auf das sie „hinforder zukünfftiglich ire viehe treiben vnd eine freye viehe trifft haben“ sollten.[15] Insofern zeigen sich in Dahme am Beispiel der Hütungsflächen für das städtische Vieh Facetten eines „besitzrechtlichen Ausgreifen[s] auf das Land“, wie es für mittelalterliche Städte und dem Aufbau bürgerlicher Grundherrschaften typisch war.[16] Ohne entsprechende Privilegien seitens des Stadtherrn war dies jedoch nicht denkbar und selbst wenn sie existierten, erwiesen sich genauere Absprachen zu konkreten Nutzungsweisen angeeigneter Flächen mit den umliegenden ländlichen Rechtsgemeinschaften als notwendig. Trotz dürftiger mittelalterlicher Quellenlage zeigen sich in Dahme dennoch wichtige Aspekte der stadtrechtlichen Geschichte, die zu großen Teilen direkt mit Magdeburg und den dortigen Erzbischöfen zusammenhingen.

Autor: Sascha Bütow

Anmerkungen:

[1] Eine allgemeine Neubestätigung aller Rechte im Jahr 1503 durch Erzbischof Ernst von Magdeburg ist abgedruckt bei Reinhold, Werner: Chronik der Stadt Dahme und der Umgegend. Bd. 2. Dahme 1846, Nr. 3, S. 27–29.

[2] Reinhold, Werner: Chronik der Stadt Dahme und der Umgegend. Bd. 1. Dahme 1845, S. 24.

[3] Schölzel, Joachim (Bearb.): Historisches Ortslexikon für Brandenburg. Teil IX: Beeskow-Storkow. Weimar 1997, S. 14.

[4] Zur Bedeutung der Verkehrs- und Handelsverbindungen im regionalen Umfeld Dahmes vgl. Bütow, Sascha: Verkehrsraum Fläming in überlandschaftlichen Konturen. Spätmittelalterliche Wegelenkung, Straßenbaumaßnahmen und historische Kartographie, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 151 (2015), S. 275–290.

[5] Diese Urkunde ist ediert bei Gengler, Heinrich Gottfried (Hrsg.): Codex Juris Municipalis Germaniae. Regesten und Urkunden zur Verfassungs- und Rechtsgeschichte der deutschen Städte im Mittelalter. Bd. 1. Erlangen 1863, Nr. 1S. 692f.

[6] Diese Urkunde ist als Transsumpt in einem 1301 durch Erzbischof Burchard II. von Magdeburg erteilten Privileg enthalten. Dieses ist ediert und übersetzt bei Hergemöller, Bernd-Ullrich (Hrsg.): Quellen zur Verfassungsgeschichte der deutschen Stadt im Mittelalter (= Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters Bd. 34). Darmstadt 2000, Nr. 29, S. 216–221, hier S. 219.

[7] Ebel, Friedrich: Magdeburger Recht, in: Erzbischof Wichmann (1152–1192) und Magdeburg im hohen Mittelalter. Stadt – Erzbistum – Reich. Ausstellung zum 800. Todestag Erzbischof Wichmanns vom 29. Oktober 1992 bis 21. März 1993, hg. v. Matthias Puhle. Magdeburg 1992, S. 42–54, hier S. 46.

[8] Huch, Gaby; Ribbe, Wolfgang (Bearb.): Regesten und Urkunden zur Geschichte von Berlin/Cölln im Mittelalter (1237–1499). Berlin 2008, Nr. 36, S. 67.

[9] Vgl. dazu die Edition der genannten Urkunde von 1309 bei Voigt, Ferdinand (Hrsg.): Urkunden-Buch zur Berlinischen Chronik. Berlin 1869, Nr. 39, S.25f.

[10] Dreyhaupt, Johann Christoph v.: Pagus Neletici et Nudzici oder ausführliche diplomatisch-historische Beschreibung des zum ehemaligen Primat und Erz-Stift, nunmehr aber durch den westphälischen Friedens-Schluß secularisirten Herzogthum Magdeburg gehörigen Saal-Kreises. Teil 1. Halle 1755, S. 135.

[11] Vgl. Schich, Winfried: Zur Diskriminierung der wendischen Minderheit im späten Mittelalter. Die Ausbildung des „Wendenparagraphen“ in den Zunftstatuten nordostdeutscher Städte, in: Europa regional 10/2 (2002) S. 57–61.

[12] Glück, Helmut: Deutsch als Fremdsprache in Europa vom Mittelalter bis zur Barockzeit. Berlin/New York 2002, S. 61.

[13] Regest bei Gengler, Heinrich Gottfried (Hrsg.):  Codex Juris Municipalis Germaniae (wie Anm. 5), Nr. 3, S. 693.

[14] Ebd., Nr. 2, S. 693.

[15] Ebd., Nr. 4, S. 683f.

[16] Isenmann, Eberhard: Die deutsche Stadt im Mittelalter. 1150–1550. Stadtgestalt, Recht, Verfassung, Stadtregimen, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft.2. Aufl. Köln/Weimar/Wien 2014, S. 679.

Zitation:

Sascha Bütow: Dahme/Mark. Magdeburger Recht in einer Flämingstadt, in: Das Magdeburger Recht. Baustein des modernen Europa, 01.07.2022, https://magdeburg-law.com/de/magdeburger-recht/historische-staedte/dahme-mark/