Kleine Stadt in rigoroser Adelshand:
Die beiden innerhalb der brandenburgischen Landesgeschichte als Städtegründer bekannten Markgrafen Johann I. und Otto III. intensivierten in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts ihre Herrschaft im nordöstlich und östlich von Berlin gelegenen Barnim. Dazu gehörte insbesondere die Förderung von Städten, wie die sog. Markgrafenchronik (Chronica Marchionum Brandenburgensium) aus dem Ende des 13. Jahrhunderts ausführt: „[…] Berlin, Strausberg, Frankfurt, Neu Tangermünde (Angermünde), Stolpe, Liebenwalde, Stargard, Neubrandenburg und viele andere Orte haben sie errichtet. Zu letzteren gehörte auch Altlandsberg, das sich ursprünglich in markgräflicher Hand befand und 1257 indirekt durch die Nennung von Landsberg an der Warthe (Landisberch Nova) als die ältere der beiden gleichnamigen Städte erstmals erwähnt wird.“[1] Mit der markgräflichen Stadtherrschaft hatte Altlandsberg sehr wahrscheinlich das mit dem Magdeburger Recht verwandte Brandenburger Recht übernommen, das eine Basis dafür bot, Verbindungen mit anderen Städten aufzunehmen.
Abb. 1: Wehrhafter Turm vom mittelalterlichen Strausberger Tor in Altlandsberg
So beteiligte sich der Altlandsberger Rat an Städtebündnissen, die den gegenseitigen Schutz, die Wahrung der kommunalen Rechte sowie die Sicherheit der Straßen betrafen. Bedeutung erlangte der nach dem Aussterben der askanischen Markgrafen 1321 geschlossene Bund von 23 Städten in Brandenburg und der Niederlausitz, den Abgesandte aus Altlandsberg in Berlin mitbegründeten.[2] Mit diesem Bund übernahmen die Städte gegenüber der schwächer werdenden markgräflichen Macht Verantwortung für den Zusammenhalt Brandenburgs und schworen, diesen und sich gegenseitig zu schützen. Dies ist ein deutlicher Ausweis des auch für Altlandsberg zutreffenden städtischen Autonomiestrebens brandenburgischer Städte im 14. Jahrhundert.[3] In diesen Zusammenhang gehört ein weiteres Recht, das Rat und Bürgerschaft von Markgraf Ludwig dem Römer erhielten. Er ordnete an, dass die Bürger von Altlandsberg nicht mehr vor auswärtigen Gerichten, wie es zuvor in unsicheren Zeiten häufig passiert war, sondern allein vor dem städtischen Gericht angeklagt werden durften.[4] Dieses Privileg stützte die selbstbewusste Haltung des Altlandsberger Rates, die er jedoch zu Beginn des 15. Jahrhunderts wieder einbüßen musste.
Der Grund hierfür war der Verkauf der Stadt durch Markgraf Jost an die Familie von Krummensee im Jahr 1409. Letztere kam so zudem in den Besitz der nahegelegenen markgräflichen Burg, sodass das Geschlecht der von Krummensee fortan als schlossgesessen galt, was ihm eine wichtige Stellung innerhalb der brandenburgischen Adelsgesellschaft bescherte. Für die Stadt Altlandsberg bedeutete der Herrschaftswechsel dagegen eine Mediatisierung, indem sie nun nicht länger direkt dem Markgrafen, sondern einer im Barnim und darüber hinaus stark verzweigten Adelsfamilie unterstand. Deren Angehörige eigneten sich oft ohne Rücksicht auf städtische Rechte bürgerliche und kommunale Besitzungen an. Mehrere Vertreter der Familie von Krummensee wohnten zudem in der Stadt, griffen auf deren Waldgebiete und landwirtschaftlichen Nutzflächen zu, ohne sich jedoch an den kommunalen Aufwendungen und Pflichten zu beteiligen. Zudem entwickelten sich zwischen den in und um Altlandsberg wohnenden Mitgliedern der Familie zahlreiche Konflikte, die auch der Bürgerschaft und ihren Rechten großen Schaden zufügten.
Abb. 2: Wappen der Familie von Krummensee, genutzt im 16. und 17. Jh. (Umzeichnung Alexander Giertz)
Um 1500 gipfelten die Auseinandersetzungen in einem Rechtsstreit, der nur mithilfe des brandenburgischen Landesherrn geschlichtet werden konnte. Der Stadt Altlandsberg waren wichtige kommunale Gebäude wie die Badestube und der Backofen entzogen worden. Sie sollten der Bürgerschaft zurückgegeben werden. Zudem wurde vereinbart, dass die Mitglieder der Familie von Krummensee ohne Zustimmung der Bürgerschaft nicht länger städtische Güter und Häuser erwerben durften, damit „dat Stedichen nicht geschwecht werde“.[5] Darüber hinaus sollte Altlandsberg in seinen Rechten und Privilegien geschützt werden. Seinen Einwohner durfte keine Gewalt angetan werden. Vielmehr wurde der Adelsfamilie aufgetragen, sich der Bürgerschaft gegenüber freundlich und förderlich zu verhalten.
Das Verhältnis zwischen Stadt und Adelsfamilie blieb jedoch angespannt. Im Zuge der Reformation intensivierten die von Krummensee ihre Herrschaft, was sich nunmehr v.a. in kirchlichen Angelegenheiten zeigte. Mit dem Propst des Prämonstratenser-Stifts Gramzow, der Patron der Altlandsberger Kirche war, schloss sie einen Vertrag ab, der es ihr erlaubte, auf die kirchlichen Einnahmen sowie das Kirchenland zuzugreifen. Auf Grundlage dieses Vertrages erweiterten einzelne Familienmitglieder widerrechtlich ihren Zugriff auf kirchliche Ländereien und Abgaben. Somit gelangte ein Hof der Pfarrei im Umfang von vier Hufen in den Besitz der von Krummensee. Außerdem bewohnten sie das Pfarrhaus.[6] Der im Zuge der Reformation vom kurfürstlichen Rat Hans von Krummensee nach Altlandsberg gerufene Nicolaus Leutinger stellte als neuer evangelischer Pfarrer fest, dass die Kirche „kaum den fünften Teil der Einkünfte“ bezogen habe. Die übrigen Teile, so berichtet sein Sohn, Nicolaus Leutinger der Jüngere, „hätten sich die Krummensee unrechtmäßig zugeeignet, und nur mit Lebensgefahr habe er [Nicolaus Leutinger der Ältere, S.B.]“ sie „wieder erstritten“.[7]
Abb. 3: Epitaph des Nikolaus Leutinger d. Ä. (Foto Marcus Cyron)
Rat und Bürgerschaft in Altlandsberg blieben dennoch Möglichkeiten, ihre rechtlichen Ansprüche zu artikulieren und durchzusetzen. Ein Weg führte über die brandenburgischen Landesherren, die der Stadt wichtige Privilegien verliehen. Hierzu gehörte das 1421 erteilte und 1481 erneut bestätigte Recht, zwei große Jahrmärkte auszurichten, die 14 Tage vor St. Johannes (24. Juni) und 14 Tage vor St. Martin (11. November) stattfinden sollten.[8] Neben diesem Marktrecht durfte die Stadt Altlandsberg den sog. Damm- und Deichselpfennig von Durchreisenden erheben, urkundlich bestätigt 1545 durch Kurfürst Joachim II. Er war es auch, der dem Rat vier Jahre später alle Rechte und Privilegien bestätigte, deren urkundliche Nachweise durch einen verheerenden Stadtbrand verlorengegangen waren.
Ursache für ständige Konflikte zwischen Rat und Stadtherrschaft waren weiterhin öffentliche Gebäude in Altlandsberg, auf welche die von Krummensee Ansprüche erhoben. Zum Teil hatte dies der Rat selbst zu verschulden. Beispielsweise hatte der Rat mit der Säkularisation des in der Stadt gelegenen Servitenklosters im Jahr 1545 sich zwar unmittelbar um den Kauf der dazugehörenden Liegenschaften bemüht, das Klostergebäude selbst jedoch nicht erworben.[9] So war es möglich, dass Kurfürst Joachim II. Hans von Krummensee mit dem alten Klostergebäude belehnen konnte. Er erlaubte ihm zudem, die einst zum Kloster gehörenden Güter käuflich zu erwerben, wodurch ein neuer Rechtsstreit mit der Stadt entbrannte. Im Ergebnis kam Arnd von Krummensee 1570 in den Besitz der Klosterstätte und diese, da er nirgendwo in Altlandsberg eine Unterkunft hatte, in ein Wohngrundstück umbaute.
So wurden im 16. Jahrhundert die Rechte Altlandsbergs weiter eingeschränkt. Streitigkeiten zwischen den von Krummensee und dem Rat der Stadt bestanden insbesondere hinsichtlich der Gerichtsbarkeit, der Wahl der Ratspersonen und der Holznutzung. Da sich beide Parteien wieder nicht einigen konnten, versuchte die Familie von Krummensee ihre Interessen mit Gewalt durchzusetzen. Unter dem Vorwand, die Stadt stehe vor offenem Aufruhr, überfiel sie 1556 „nebst 100 Reitern und einer Zahl Landsknechte“ Altlandsberg.[10] Auch in der Folgezeit rissen die Streitigkeiten nicht ab, sodass Kurfürst Joachim II. 1568 einen Rezess ausstellte. In diesem wurde dem Rat die freie Wahl des Bürgermeisters bzw. der Ratsmänner „ohne der Junker [die Familie von Krummensee] besonderes Ersuchen“ zugebilligt.[11] Unabhängig hiervon behauptete die Familie von Krummensee die obere und niedere Gerichtsbarkeit in der Stadt. Was den Zugriff auf die Holznutzung anging, so entschied der Kurfürst, dass die von Krummensee „das Holz der Stadt nicht anders brauchen“ sollten „als ein anderer Bürger zu Landsberg“. Somit war einer uneingeschränkten Holznutzung der Adligen ein Riegel vorgeschoben. Die Familie akzeptierte die Bestimmungen aus dem Rezess nicht und ging abermals mutwillig gegen die Stadt vor, indem sie Bäume in der Landsberger Heide fällte. So setzten die von Krummensee der ratsherrlichen Politik immer wieder enge Grenzen, womit die städtische Freiheit zunehmend beschnitten wurde.
Autor: Sascha Bütow
Anmerkungen:
[1] Hierzu Lutz Partenheimer: Die Entstehung der Mark Brandenburg, Köln / Weimar / Wien 2007, S. 11.
[2] Adolf Friedrich Riedel (Hg.): Codex Diplomaticus Brandenburgensis, Reihe B, Bd. 1, Nr. 562, S. 467f.
[3] Vgl. Jan Winkelmann: Die Mark Brandenburg des 14. Jahrhunderts. Markgräfliche Herrschaft zwischen räumlicher »Ferne« und politischer »Krise« (= Studien zur Brandenburgischen und vergleichenden Landesgeschichte 5), Berlin 2011, S. 171.
[4] Adolf Friedrich Riedel (Hg.): Codex Diplomaticus Brandenburgensis, Reihe A, Bd. 12, Berlin 1857, Nr. 22, S. 498.
[5] Ebd., Nr. 15, S. 60–63, hier S. 62.
[6] Liselott Enders (Bearb.): Historisches Ortslexikon für Brandenburg, Bd. 6: Barnim, Weimar 1980, S. 301.
[7] Zitiert nach J. Karl Fr. W. F. Gähde: Geschichte der Stadt Altlandsberg, Halle 1857, S. 288.
[8] wie Anm. 4, Nr. 4, S. 50f.
[9] Matthias Friske: Altlandsberg. Serviten, in: Brandenburgisches Klosterbuch. Handbuch der Klöster, Stifte und Kommenden bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, Bd. 1, hg. v. Heinz-Dieter Heimann, Klaus Neitmann u. Winfried Schich, Berlin 2010, S. 89–95, hier S. 90.
[10] Alexander Giertz: Bausteine zu einer Geschichte des Barnim. Sowie seiner Dörfer Petershagen und Eggersdorf, Chronik nach Quellen, Bd. 3: Nachbarorte, Petershagen 1903–1905, S. 8.
[11] Hansjoachim Alberts: Altlandsberg, in: Zwischen Schorfheide und Spree. Heimatbuch des Kreises Niederbarnim, hg. v. Max Weiß u. Max Rehberg, Berlin 1940, S. 315.
Zitation:
Sascha Bütow: Altlandsberg. Kleine Stadt in rigoroser Adelshand, in: Das Magdeburger Recht. Baustein des modernen Europa, 30.06.2021, https://magdeburg-law.com/de/magdeburger-recht/historische-staedte/altlandsberg/
Bildnachweis:
Abb.1: Wikimedia Commons, Creative-Commons-Lizenz 3.0
Abb.2: Alexander Giertz: Alt-Landsbergs Werdegang, der Servitenorden und sein einstiges märkisches Kloster in Alt-Landsberg, in: Archiv der Brandenburgia 13 (1911), S. 332.
Abb.3: Wikimedia Commons, Creative-Commons-Lizenz 3.0