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Eine brandenburgische Immediatstadt mit umfänglichen Rechten:

„Die Geschichte von Osterburg ist freilich nur eine eintönige, wie diejenigen aller kleinen altmärkischen Städte; es fehlt aber das Bermerkenswerthe doch wenigstens nicht ganz.“[1] Was Hermann Dietrichs und Ludolf Parisius in ihren „Bilder[n] aus der Altmark“ 1883 bemerkten, wird heute kritisch gesehen, da es der jeweils auf die Stadtgeschichte geworfenen Perspektive überlassen bleibt, was an ihr bemerkenswert ist. Aus rechtsgeschichtlicher Sicht weist Osterburg einige interessante Facetten auf, die seine kommunale Entwicklung nachhaltig beeinflussten.

Osterburg wird bereits unter den Orten genannt, für die die Marktsiedlung Stendal Mitte des 12. Jahrhunderts von Albrecht dem Bären Zollfreiheit verliehen bekam. In diesem Zusammenhang noch „urbs“ genannt, wird Osterburg 1208 als „oppidum“ bezeichnet.[2] Die Siedlung profitierte von einer verkehrsgünstigen Lage und fungierte deshalb auch als Zollort. Zudem konnten die Einwohner den angrenzenden Fluss Biese zum Antrieb von Mühlen, für die Fischerei und für die Schifffahrt nutzten.[3] Nach dem Aussterben des Grafen von Osterburg-Veltheim 1242 konnte der Markgraf von Brandenburg Osterburg in seinen vollen Besitz bringen. Die Stadt blieb daraufhin landesherrlich und baute im Verlauf des 14. Jahrhunderts ihre Autonomie aus.

Abb. 1: Die Wälle um Osterburg schützen die Stadt im Mittelalter und waren ein wichtiges Symbol für den Verteidigungswillen der Bürgerschaft. (Postkarte aus den 1930er Jahren)

Hinsichtlich ihres Stadtrechts orientierten sich die erstmals 1345 genannten Ratsherren von Osterburg am Magdeburger Recht, wobei sehr wahrscheinlich ein Rechtstransfer über Stendal erfolgt war.[4] Im selben Jahr werden auch ein Richter und Schöffen (Judex et Schabini in Osterborch) urkundlich erwähnt, die gemeinsam ein Zeugnis über das Vermögen des noch unmündigen Dietrich von Krusemark ausstellten.[5] Damit ist eine nach Magdeburger Vorbild typische Trennung zwischen Rat und Schöffen innerhalb der kommunalen Verfassung Osterburgs nachweisbar. Zudem ist ein Vogt (praefectus) für das Jahr 1344 belegt, der als Vertreter des Landesherrn innerhalb der Stadt fungierte und ein wichtiger politischer Vermittler war.[6] Dieses Amt stand nicht zwangsläufig in Konkurrenz zur Bürgerschaft. So zeigt sich, dass Hennig von Hohenhausen, Bürger in Osterburg, 1344 die Lehnsvormundschaft für die Kinder des verstorbenen Vogts Paris übernommen hatte. Letzterer war offenbar bestens in die Bürgerschaft integriert und verfügte hier über ein bereites Netzwerk von Partnern und Freunden.

Eine selbstbewusste Haltung der Osterburger Bürgerschaft begegnet in einem vom falschen Markgrafen Woldemar ausgestellten Privileg aus dem Jahr 1348, wonach die Stadt u.a. Straftäter „na der stat rechte“ richten durften. Zudem war es dem Markgrafen untersagt, neue Befestigungen zu errichten, solange die Städte nicht zustimmten. Mithin wurde ihm das Versprechen abverlangt, das Land nicht zu teilen. Hinzu kam, dass Osterburg zum Schutz seiner Rechte Bündnisse mit anderen Städten eingehen durfte. Obgleich sich der falsche Woldemar politisch nicht halten konnte, baute Osterburg seine Rechte weiter aus und nutzte dabei die allgemeine Schwäche der brandenburgischen Landesherrschaft. So gelang 1390 der Erwerb des Stadtgerichtes vom Markgrafen Jobst von Mähren, womit die hohe Gerichtsbarkeit, also auch Entscheidungen über Leib und Leben, verbunden waren.[7] Von seinem Recht, sich mit anderen Städten zu verbünden, machte Osterburg gleichfalls regen Gebrauch. 1392 beispielsweise verband sie sich mit Stendal, Gardelegen, Tangermünde und Werben gegen Übergriffe geistlicher Gerichte. Die Städte versprachen sich gegenseitigen Beistand, sollten ihre Bürger angeklagt werden. Stendal besaß hierbei eine wichtige Stellung, da ihre Ratsherren unaufgefordert informiert werden sollten. Kam es schließlich zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung, sollte jeder Stadtrat einen Abgesandten zur Beratung nach Stendal senden. Alle aus einem Prozess resultierenden Kosten wurden unter den Städten nach individuellen Sätzen geteilt, wobei Osterburg eine Mark zu entrichten hatte.[8] Auf dieser grundsätzlichen Verfügung beruht die Ansicht, dass Stendal als Oberhof für Osterburg wirkte.[9]

Abb. 2: Die von historischen Fachwerkbauten geprägte Altstadt Osterburgs

Für eine enge Orientierung an den Rechtsgewohnheiten der Stadt Stendal spricht zudem ein Vertrag, den die Ratsherren beider Städte im Jahr 1442 schlossen:[10] Sollte einem Stendaler Bürger ein Erbe in Osterburg zufallen, so sollte er dem Osterburger Rat sechs Schillinge und das Schreibergeld entrichten. Im umgekehrten Fall musste ein Bürger Osterburgs für ein Erbe in Stendal fünfzehn Schillinge sowie das Schreibergeld zahlen. Diese Gebührenordnung wurde mit städtischen Gewohnheiten legitimiert, die beide Parteien „ewichliken“ zu wahren versprachen.

Im 15. Jahrhundert konnte Osterburg seine umfänglichen Rechte behaupten. Markgraf Friedrich II. bestätigte den dortigen Ratsherren 1449 die Gerichtsbarkeit, Zollrechte und den Besitz des Burgwalls.[11] Zu dieser Zeit dürften etwa 1.500 Einwohner in Osterburg gelebt haben.[12] Ackerbau, Bierbrauerei sowie Fernhandel in den hansischen Raum belebten die städtische Wirtschaft. Im Übergang zum 16. Jahrhundert verheerten mehrere Brände die Stadt. Städtische Urkunden gingen so verloren. Dieser Umstand machte die schriftliche Neuausfertigung wichtiger Regelungen notwendig. So erneuerte Kurfürst Joachim II. 1536 eine alte Schöffenordnung, die u.a. die Zahl der Schöffen auf sieben festlegte, ihnen einen Altar mit geistlichem Lehn in der Pfarrkirche sowie den Besitz etlicher Gärten bestätigte. Den Schöffen wurde zugleich ein gesonderter, als „Garten“ bezeichneter Schöffenstuhl zugesprochen. Ebenfalls bedeutsam war die Festlegung, wer Schöffe werden durfte. Gemäß der Schöffenordnung sollten einzig ehrliche, unverruchte, verständige und fromme Männer gewählt werden, die aus den Reihen ehemaliger oder aktiver Ratsherren stammten.[13]

Aus dem 16. Jahrhundert hat sich ebenso eine ratsherrliche Ordnung erhalten, die nach mittelalterlichem Vorbild das Zusammenleben innerhalb Osterburgs regelte. Die 1580 veröffentlichten Statuten befassen sich u.a. mit dem Verhüten vor Bränden, untersagen lautes Geschrei in den Straßen, legen Zeiten für das Bierbrauen fest, regeln Modalitäten der Viehhütung und setzen das Verkaufen vor den Stadttoren unter Strafe. Für die zu jener Zeit wieder erstarkte Herrschaft des brandenburgischen Landesherrn spricht der Umstand, dass er vor dem Rat als strafende Gewalt im Falle von Zuwiderhandlungen gegen die städtischen Gewohnheiten erwähnt wird.[14]

Abb. 3: Das Stadtwappen Osterburgs mit rotem Adler über Stadtmauer, Toren und Türmen. Das Bild nimmt Bezug auf mittelalterliche Vorbilder und die einstige Zugehörigkeit Osterburgs zur Mark Brandenburg.

Autor: Sascha Bütow

Anmerkungen:

[1] Hermann Dietrichs u. Ludof Parisius: Bilder aus der Altmark, Bd. 1, Hamburg 1883, S. 172.

[2] Berent Schwineköper: Osterburg, in: Handbuch der Historischen Stätten Deutschlands, Bd. 11, Stuttgart 1987, S. 356f., hier S. 357.

[3] Sascha Bütow: Jeetzel – Aland – Stepenitz. Gedanken zur wirtschaftlichen Nutzung kleiner Flüsse im sogenannten hansischen Hinterland während des Spätmittelalters, in: Biuletyn Polskiej Misji Historycznej, Bulletin  der Polnischen Historischen Mission 14 (2019), S. 387–409, hier S. 397.

[4] Heiner Lück: Stadtrechte in der Altmark, in: Sachsen und Anhalt 32 (2020), S. 41–78, hier S. 73.

[5] Adolf Friedrich Riedel (Hg.): Codex Diplomaticus Brandenburgensis, Reihe A, Bd. 16, Berlin 1859, Nr. 24, S. 326.

[6] Ebd., Nr. 23, S. 325f.

[7] Ebd., Nr. 35, S. 335.

[8] Ebd., Bd. 6, Berlin 1846, Nr. 147, S. 105f.

[9] Peter P. Rohlach (Bearb.): Historisches Ortslexikon für die Altmark (= Historisches Ortslexikon für Brandenburg 12), Berlin 2018, S. 1602.

[10] Wie Anm. 5, Nr. 60, S. 352.

[11] Ebd., Nr. 72, S. 361.

[12] Wie Anm. 2, S. 357.

[13] Wie Anm. 5, Nr. 100, S. 380–382.

[14] Ebd., Nr. 107, S. 389–391.

 

Zitation:

Sascha Bütow: Osterburg. Eine brandenburgische Immediatstadt mit umfänglichen Rechten, in: Das Magdeburger Recht. Baustein des modernen Europa, 07.12.2021, https://magdeburg-law.com/de/magdeburger-recht/historische-staedte/osterburg/

Bildnachweise:

Abb.1: zeno.org, public domain

Abb.2: wikimedia commons (CC BY-SA 3.0), Foto: Nephantz!

Abb.3: wikimedia commons, public domain