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Verleihung der Gerichtsbarkeit an das Syndikat der Salzstadt

In der Siedlung am Ulmenbach, genannt Elmen, stieß man auf das weiße Gold: der entscheidende Faktor für die wirtschaftliche Blüte des Gebietes. Salz war zur Haltbarmachung von Lebensmitteln und als Speisewürze im Mittelalter von enormer Bedeutung. In einer Urkunde von 1170 ist die Existenz der Solquellen bereits schriftlich bezeugt. Erzbischof Wichmann († 1192) beschenkte das Kloster Zinna mit der Hofstätte Frohse. Gemeint sind die Elmener Solquellen. Später wurde der Ort zu Alt Salze und verlor an Bedeutung gegenüber den schnell größer werdenden Nachbarorten Groß Salze und Sconebeke. Seit 1932 gehören beide als Ortsteil Bad Salzelmen zu Schönebeck.

Groß Salze „bi dem groten solte“ entstand zwischen 1219 und 1227 in günstiger Lage nahe dem Mittellauf der Elbe. Im Jahr 1290 wurde „Magna Salina“ das Stadtrecht verliehen. Durch das gewonnene Salz ergaben sich Handelsbeziehungen mit Tangermünde, Stendal und Havelberg sowie dem sächsischen Kurkreis. Im Gegenzug wurde oft Holz geliefert, da Brennholz für die Salzsiedung in der Nähe nicht ausreichend vorhanden war. Bereits im 13. und 14. Jahrhundert war Groß Salze eine der wohlhabendsten Städte des Magdeburger Erzbistums.

„Ißt das Salzwerk nicht im Flor, so mag die Stadt nicht gedeihen!“ [1]  (Ausspruch der Pfänner)

Abb. 1: Kupferstich der Stadt Groß Salze von Caspar Merian, um 1650, aus: Matthäus Merian: Topographia Saxoniae Inferioris, Frankfurt am Main 1653. Die aufsteigenden Wolken zeigen arbeitende Siedestätten.

Durch den bedeutendsten wirtschaftlichen Zweig der Salzgewinnung wurden die Geschicke der Stadt maßgeblich bestimmt. Die Solgutbesitzer schlossen sich zur Pfännerschaft zusammen und besetzten auch den Rat der Stadt. Das Amt des Richters wurde durch den Oberbürgermeister bekleidet. Ihm stand später ein Rechtsgelehrter zur Seite.

Gerichtsbarkeit der Pfänner

Die Pfännerschaft bestand bereits 1230 in Groß Salze als Genossenschaft, vom 12. bis ins 18. Jahrhundert war sie die bestimmende Organisationsstruktur im Salinewesen. Sie war zudem Inhaberin der Gerichtsbarkeit. 1437 bestätigte Erzbischof Günther II. von Magdeburg († 1445) den Pfännern das Schöffengericht in Groß Salze, wodurch sie die politische und rechtliche Kontrolle in der Stadt innehatten. Es galten aber auch ihre eigenen Gesetze innerhalb der Saline. 1664 beschlossen die Pfänner 67 Paragraphen und regelten penibel genau sämtliche Abläufe. Wer sich nicht an die Statuten der Pfännerschaft hielt, wurde bestraft, etwa mit dem „Auslöschen des Feuers“, ihm wurde der „Eimer aufgehängt“. Der verurteilte Pfänner durfte dann eine gewisse Zeit nicht sieden, hatte also finanzielle Einbußen. Gebunden waren die Pfänner außerdem an einen Eid, der über das  Selbstverständnis der Pfännerschaft Auskunft gibt: „Ich … zum Pfänner auserkoren […], schwöre und gelobe bei Gott dem Allmächtigen, daß ich des Rats und gemeiner Stadt Nutzen […] fördern […] will, recht nach den landesüblichen und beschriebenen Rechten zu richten […]. So wahr mir Gott helfe![2]

Über die Missachtung dieser Regeln wurde im 16. Jahrhundert in Groß Salze verhandelt. „Abwoll eyn wircker bey euch, Volckmar Eickstedt gnant, in vergessung seyner gethanen eydt und pflicht nicht alleyne eyn stugke, sondern etliche schogk stugke saltz ahne vorwissen seines jungkern widder euer, der pfenner, aufgerichten ordenung unbedechtig verkaufft und das gelt tzum teyle verdobbelt und verspielet[3], soll der Salzwirker nicht peinlich bestraft werden, da er das Geld zurückgezahlt hatte. Jedoch befanden die Magdeburger Schöffen, dass sich Eickstedt aufgrund seines Eidbruchs ehrlos gemacht habe.

Städtische Gerichtsbarkeit

Eine andere Sammlung von Gesetzen regelte das städtische Leben: die „Willkür der Stadt Groß Salze“ von 1470. Das auf sechs Pergamentblättern verfasste Schriftstück stammt von Johannes, Erzbischof zu Magdeburg († 1475). Er bestätigte dem Rat und den Bürgern damit die städtischen Gewohnheiten, die sie zuvor wohl auch schon in Form eines ungeschriebenen Gewohnheitsrechtes besaßen. Es ist ein Rechtstext nach dem Vorbild des Magdeburger Rechts.

Abb. 2: Schöppensiegel der Stadt Groß Salze mit der Darstellung des Heilands auf einem Richterstuhl mit erhobenen Händen, Urkunde aus dem Jahr 1424. Das Siegel trägt die Aufschrift „Siegel der Schöffen in Salz Elmen“.

Die Stadt hatte allerdings keinen erb- oder eigentümlichen Anspruch auf ihre eigene Gerichtsbarkeit. Im 15. Jahrhundert wurde sie das erste Mal durch das Erzbistum verliehen. Dies wurde dann in der Folge immer um ein Jahr verlängert. Erst 1722 wurde sie dem Rat endgültig übereignet. Die älteste Aufzeichnung über die verliehene Gerichtsbarkeit ist auf 1437 datiert. Sie bestätigte Groß Salze die Gerichtsbarkeit auf vier Jahre: „Wyr Gunther vonn Gotzgnden Ertzbiscoff zcw Magdeburg Bekenne offentlichen mit diszem brive, das wir unnsern liben getruwen den Pfennern zu Unnser Stad zwm Groszen Saltze […] mit allem rechte unnd Zcubehoringe alse das vonn alder gewonhed ist gewest, unnd sy sollen dieselbenn Gerichte de gnanten vir Jar nhest nachenander volgende geniszen unde gebruchenn.“ [4]

Eine im Jahr 1463 ausgestellte Urkunde zählt die Einnahmen des Gerichtes auf, unter anderem Anteile des Gewinns der Salzsieder: „und von alle dem, das darzu gehöret, gefordert, ingemant und ungeverlich ufgenomen werde, Nemlich, […] von dem neuen Bornen von iglicher Pfanne eyne Marck Magdeburgscher Werunge […] getreulich zu unserm Gerichte gefordert werden.“[5]

Gerichtsstätte und Strafen

Die Groß Salzer Gerichtsbarkeit erstreckte sich über die Stadt bis einschließlich des Stadtgrabens. Wohingegen für die zugehörigen Äcker und den Ort Elmen das Amt Calbe verantwortlich war. Sie fielen in den Zuständigkeitsbereich des Erzbischofs. Groß Salze hatte zeitweise die Gerichtsbarkeit über Elmen inne, denn das Dorf besaß keinen eigenen Schöffenstuhl. So wurde der Groß Salzer Rat 1566 mit der Gerichtsbarkeit über Alt Salze beliehen, die sonst von Calbe ausgeübt wurde. Dies galt für 20 Jahre, gegen eine Zahlung von 500 Talern.

Da sich aus dieser Aufteilung Kompetenzstreitigkeiten ergaben, wurden Feldaufseher, sogenannte Pfandmänner eingesetzt. Sie durften Felddiebstahl zwar pfänden, mussten dem Calbenser Amt aber Anzeige machen und den Schuldigen ausliefern. Besondere Probleme ergaben sich daraus, dass auch die Richtstätte auf diesem fremden Gebiet lag. Sie befand sich laut einer Flurkarte von 1724 auf der Galgenbreite vor dem Magdeburger Tor. Neben einem Galgen und einer Brandsäule gab es dort auch ein Teich, in dem Kindermörderinnen ersäuft worden seien.

1661 sollte etwa Ulrich Reese mit Staupenschlagen des Landes verwiesen werden. Er wurde zum Schlagbaum am Magdeburger Tor geführt, der Grenze, die er als Exilant künftig nicht mehr überschreiten dürfte. Am Tor stand aber der Alt Salzer Richter, welcher nicht gestatten wollte, dass der Delinquent auf den Berg gepeitscht würde. Er berief sich auf den Befehl des Landrichters, gab seinen Widerspruch nach einer Unterredung mit dem Groß Salzer Gerichtsschreiber aber schließlich auf.

Kleinere Delikte wurden mit Geldstrafen, Prangerstehen oder mit dem Tragen des Schandmantels bestraft, schwerwiegendere Vergehen aber auch mit Stäupung, also Auspeitschung, Exil oder mit dem Erhängen. Der Schandmantel wurde auch Narrenkiste oder Spanische Fidel genannt. Er bestand aus Eichenholz: auf der Vorderseite war ein Narrenkostüm mit Schellen aufgemalt.  In einem Stadtrechnungsbuch wurde 1742 die Bezahlung für die Anfertigung an den Ratszimmermann verzeichnet. Ein solcher Schandmantel aus dem 18. Jahrhundert, mit dessen Träger die Narrenposse betrieben werden durfte, befindet sich im Schönebecker Salzlandmuseum. Er ist einer von fünfzehn in deutschen Museen erhaltenen.

Magdeburger Schöffensprüche für Groß Salze

Bei unklaren Fällen wandten sich die Schöffen an den Magdeburger Schöffenstuhl. Von diesen Magdeburger Schöffensprüchen für Groß Salze sind 52 urkundlich überliefert. Aber auch grundsätzliche rechtliche Fragen wurden beantwortet. So erläuterten die Magdeburger Schöffen um 1520 auf Anfrage des Rats von „dat grote salt“ den Unterschied zwischen kampfwürdigen Wunden und Blutrunst.

Abb. 3: Pfännerturm am Alt Salzer Tor, im Hintergrund Türme der St. Johanniskirche.

Auf die Zufügung der Wunden standen je nach ihrer Zuordnung andere Strafen und somit natürlich auch andere Schadensersatzzahlungen. „Ein auge aus, die nasze, die ohren, zcunge, des mannes gemechte, hende und fuesze gantz abe, die wunden durch den backen sein alle kampferdich“ [6], wohingegen eine Verletzung „bluthrunstig“ war, wenn sie nicht tödlich endete oder den Geschädigten hemmte. Die Einschätzung oblag beispielsweise dem geschworenen Arzt des Rats zu Groß Salze Dietrich Halverstad. Er klagte Mitte des 15. Jahrhunderts gegen seinen Patienten, weil dieser wegen der Einschätzung seiner Wunde andere Ärzte aufsuchte, obwohl Halverstad sie bereits eidlich für Blutrunst erklärt hatte.

Bei einem anderen Fall aus der Mitte des 16. Jahrhunderts waren gleich zwei noch heute erhaltene Wahrzeichen des Stadtteils involviert. Alle Beteiligten stammten außerdem aus alteingesessenen adligen Groß Salzer Pfännerfamilien. Jordan Heine und Hans Naumeister, zwei Groß Salzer Pfänner, drangen betrunken und am helllichten Tag in die Wohnung des Turmwächters ein, entwendeten die Schlüssel und befreiten den Gefangenen von Deben. „und darnach auch beide vor des marckmeisters thure lauffen kommen und zcu dem andern gefangnen stracks gewolt und an die thure geschlagen und, in dem sich der marckmeister aufzumachen geweigert, der eine die fenstern an der stuben geweldiglichen ausgehawen, geflucht und in euer des raths freiheit unsteure getrieben, darumb sie als freveler in gehorsam und haft genommen“ [7], so lautete der Tatbestand weiter.

Die Magdeburger Schöffen urteilten, dass die Täter nach der Stadtwillkür, sollten Statuten hierzu vorhanden sein, sonst als Friedensbrecher peinlich bestraft werden sollten. Die 1473 zum ersten Mal schriftlich erwähnte Stadtmauer ist an vielen Stellen noch heute sichtbar. Am Alt Salzer oder Elmener Tor, eines von drei Stadttoren, befand sich ab 1470 der Pfännerturm, der als Gefängnis genutzt wurde.

Abb. 4: Gradierwerk mit Wendelitze (Röhrenleitung) zum Transport der Sole

Zur Rechtsgeschichte Groß Salzes ist anzumerken, dass bisher lediglich die Schöffensprüche erforscht wurden, die dem Magdeburger Schöffenstuhl zu Rate gelegt wurden. Im Stadtarchiv Schönebeck lagern Gerichts-, Handels-, Umfriede- und Vertragsbücher sowie Gerichtsprotokolle, die Aufzeichnungen zu hunderten Prozessen und Urteilen enthalten. Die Akten erstrecken sich nahezu über das gesamte 16. Jahrhundert. Sie wurden bislang nicht vollständig wissenschaftlich untersucht. Zu ihnen zählen auch zahlreiche Hexenprozesse. Bekannt ist, dass in Groß Salze 26 Frauen verbrannt wurden.

Das weiße Gold war auch für die weitere Entwicklung der Stadt ausschlaggebend. Neben einem Gradierwerk zur Erhöhung des Salzgehalts, zwischenzeitlich das längste in Europa, wurde später auch das älteste Solheilbad Deutschlands in Groß Salze gebaut. Der Knappschaftsarzt Dr. Tolberg hatte wiederentdeckt, was bereits im Mittelalter bekannt war: Sole wirkt als natürliches Heilmittel, etwa bei Erkrankungen der Atemwege.

Es zeigt sich, dass die kleine Gemeinde, die schließlich in Schönebeck aufging, auf eine lange, ganz eigene Geschichte zurückblickt und einige Superlative zu bieten hat. Gegen die großen Nachbarn, ob Schönebecker Pfänner oder Magdeburger Erzbischöfe, fand der Ort stets Wege sich zu behaupten.

Autorin: Alessa Hamel

Anmerkungen:

[1] Müller 1920, S. 92.

[2] Ebd. S. 161.

[3] Friese und Liesegang 1901, S. 105.

[4] Müller 1920, S. 239.

[5] Ebd. S. 240.

[6] Friese und Liesegang 1901, S. 93f.

[7] Ebd. S. 104.

 

Quellen und Literatur:

Adolf Müller: Chronik der Stadt Groß Salze. Von Adolf Müller weiland Lehrer an der Mittelschule und Küster. Groß Salze 1920. Herausgegeben im Auftrage des Magistrats der Stadt Groß Salze von Dr. phil. Fritz Werneke, Schönebeck und Groß Salze 1920.

Stadtarchiv Schönebeck: Rathshautz Cammerey-Rechnung der Stadt Großen-Saltze de ao. 1742 S. 62, Nr. 223 (Alten Bestand Groß Salza sowie Rechungsbücher, Best. Rechtspflege) Dazu auch: Thomas Schindler: Vom Denkmal der Rechtspflege zum Museumsstück. Der Strafmantel von 1742 aus Groß Salze, in: Sachsen-Anhalt-Journal: Geschichte (3/2021), online: https://journal.lhbsa.de/cpt-articles/vom-denkmal-der-rechtspflege-zum-museumsstueck/#_ftnref2 (zuletzt aufgerufen am 14.01.2023)

Franz Winter: Die Willküren der Stadt Salze, in: Geschichtsblätter für Stadt und Land Magdeburg. Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Altertumskunde des Herzogthums und Erzstifts Magdeburg, hg. v. Vorstand des Magdeburger Geschichts-Vereins. Magdeburg 1873. S. 113–133.

Die Magdeburger Schöffensprüche für Gross-Salze, Zerbst und Anhalt, Naumburg und aus dem Codex Harzgerodanus. Erster Band (Abtheilung I – IV). Reprint 2018, hg. v. Victor Friese u. Erich Liesegang. Berlin 1901.

Hans-Joachim Geffert: Die Pfänner von Groß Salze (1210–1797), Halle 2011.

775 Jahre Schönebeck (Elbe): ein Streifzug durch die Geschichte der Stadt, hg. v. Stadt Schönebeck. Schönebeck 1997. S. 33–47.

200 Jahre Solbad „Dr. Tolberg“ Bad Salzelmen. Tradition und Moderne im ältesten Solheilbad Deutschlands, hg. v. Stadt Schönebeck, Halle 2001.

Stadtarchiv Schönebeck. Handschriftliche Abschrift von Wilhelm Schulze, der Urkunde beiliegend; Siegel enthält erste Darstellung des Salzkorbes Groß Salze IV E 1. o. O.: 1336.

 

Zitation:

Alessa Hamel: Bad Salzelmen/Groß Salze, in: Das Magdeburger Recht. Baustein des modernen Europa, 09.10.2023, https://magdeburg-law.com/de/magdeburger-recht/historische-staedte/bad-salzelmen/

 

Bildnachweis:

Abb. 1: Wikimedia Commons (public domain)

Abb. 2: Stadtarchiv Schönebeck, Sign. F 07 04 005 Schöffensiegel Elmen (Urkunde: Sign. Groß Salze IV E 16)

Abb. 3: Foto: A. Hamel

Abb. 4: Foto: A. Hamel