Banská Štiavnica / Schemnitz In Karte lokalisieren

Zentrum des Bergbaus in Oberungarn:

Das 12. und 13. Jahrhundert war eine Zeit bedeutender wirtschaftlich-gesellschaftlicher Veränderungen in Europa sowie der inneren Konsolidierung des Königreichs Ungarn. In den damals bedeutenden Bergbauregionen begannen die versprengten Bergbausiedlungen sich zu Bergstädten zu wandeln. Schemnitz/Banská Štiavnica gilt als die älteste Bergstadt der Slowakei. Ein intensiver Bergbaubetrieb auf dem Gebiet um Schemnitz entwickelte sich seit dem letzten Viertel des 12. Jahrhunderts. Das Stadtgebiet wurde als „terra banensium“ (Land der Bergleute) erstmals in einer Urkunde des Graner/Esztergomer Erzbischofs Martyrius (amt. 1151–1158) aus dem Jahr 1156 erwähnt, die in einer Abschrift von 1347 erhalten ist. Die früheste authentische schriftliche Quelle zu Schemnitz ist eine Urkunde von 1217, in der erstmals Silbergewinnung an einem Ort mit der Bezeichnung „Bana“ vermerkt ist. In einer weiteren Quelle, einer Urkunde von 1228, wird das Gebiet um die Stadt als „argenti fodina“ (Silbermine) bezeichnet.

In das ungarische Königreich wurden zu dieser Zeit technisch fortschrittlichere Berg- und Hüttenarbeiter sowie Münzmacher aus Kuttenberg/Kutná Hora, Tirol, der Steiermark, Kärnten und später auch Sachsen angeworben, die neue Methoden der Erzförderung mitbrachten und gemeinsam mit der ortsansässigen Bevölkerung die Grundlage für einen moderneren und effektiveren Bergbau und das Aufblühen der Bergstädte schufen. Die Bergstädte erhielten seit dem 13. Jahrhundert von den jeweiligen Herrschern bestimmte Vorrechte und wurden zu sogenannten Freien Königlichen Bergstädten. Schemnitz bekam diese Privilegien wahrscheinlich im Jahr 1238. Obwohl das Stadt- und Bergrecht von Schemnitz in der heutigen Slowakei entstand, waren seine Autoren deutschsprachig; es wurde auf Deutsch verfasst, weil dies im 13. Jahrhundert in Schemnitz gesprochen und geschrieben wurde. Das ursprüngliche Schemnitzer Stadtrecht gehört zu den ältesten Stadtrechten der Slowakei, und das Schemnitzer Bergrecht ist das älteste seiner Art. Zudem muss bereits im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts in Schemnitz ein Gewohnheitsbergrecht existiert haben. Die Abfassung des Stadt- und Bergrechts wurde der Tradition nach von den Schemnitzer Schöffen auf Geheiß des ungarischen Königs Bélas IV. (reg. 1235–1270) erstellt. Inhalt dieses ersten Privilegs war die Verleihung der richterlichen und verwaltungsmäßigen Unabhängigkeit, das Recht der freien Erzförderung sowie das Recht auf eine eigene Gesetzgebung.

Das ursprüngliche Stadt- und Bergrecht von Schemnitz wurde 1442 aufgrund von Bränden nach der Plünderung durch die Armee des Bischofs Simon Rozgonyi von Erlau/Eger/Jáger (amt. 1438–1444) und des Adligen Ladislav Čech aus Lewenz/Levice (Ladislav Lévai), Vorsteher des ungarischen Komitats Bars (amt. 1439–1441, gest. 1454), vernichtet. Im Laufe des 15. und 16. Jahrhunderts berief sich die Stadt jedoch mehrfach auf die ursprünglichen Privilegien, um die ungarischen Herrscher beispielsweise dazu zu bewegen, die Stadt von Wegezöllen, fiskalischen Regalabgaben und Zöllen zu befreien oder um das Recht bewilligt zu bekommen, in den königlichen Wäldern Holz für den Bergbau zu schlagen.

Die älteste erhaltene schriftliche Ausführung des Stadt- und Bergrechts von Schemnitz befindet sich im sogenannten „(Zweiten) Schemnitzer Stadtbuch“ von 1466. Das Buch hat einen hölzernen Einband mit rotem Lederüberzug, silbernen Beschlägen und der Darstellung von Löwenköpfen. Außer den städtischen Notizen und Texten zum Stadt- und Bergrecht beinhaltet das Stadtbuch auch Darstellungen des Stadtwappens, der Wappen von Schemnitzer Bürgerfamilien oder der Kreuzigung Jesu, die von Valentinus Gobil stammen, der 1432 als Schreiber in Schemnitz nachweisbar ist. Der eigentliche Text des Stadt- und Bergrechts fand auf Deutsch Eingang in das Stadtbuch. Bei dessen Ausarbeitung bezog man sich auf Abschriften der deutschen Fassung des Bergrechts von Iglau/Jihlava. Der einführende Teil des Rechtsbuchs wurde vom ursprünglichen Schemnitzer Recht sowie des bis dahin in der Praxis angewendeten Stadtrechts übernommen. Die weiteren Kapitel des Textes weisen formale Merkmale auf, die zur Regierungszeit König Bélas IV. (1235–1270) unüblich waren und zahlreiche für die Zeit fortschrittliche Elemente enthalten.

Das Stadtrecht umfasste Freiheiten und Privilegien der Bürger sowie Strafen bei Verstößen gegen diese Rechte. Es sprach insbesondere den Schemnitzer Ringbürgern bzw. Waldbürgern – reiche, überwiegend deutschstämmige, am Ring oder Markt ansässige Stadtbürger und Montanunternehmer – weitreichende Rechte zu. Sie unterstanden keiner Obrigkeit, lediglich der Jurisdiktion ihrer selbst frei gewählten Vertreter, also dem Richter und den Mitgliedern des Stadtrats. Die Bestimmungen des Stadtrechts behandelten außerdem die Wahl des Richters und der Schöffen, die gemeinsam den Stadtrat bildeten. Die Wahlen waren gemäß königlicher Anordnung alljährlich am kirchlichen Feiertag Mariä Lichtmess (2. Februar) durchzuführen. Zum Richter sollte ein ehrenhafter Mann gewählt werden, der bereits ein Jahr Mitglied des Stadtrats war. Diese Funktion wurde meist von Vertretern der reichsten städtischen Schichten ausgeübt. Gemeinsam mit vier Mitgliedern des Stadtrats aus der vorangegangenen Wahlperiode hatte der neu gewählte Richter die Aufgabe, den neuen Stadtrat vorzuschlagen und zu bestätigen. Auch der städtische Bergmeister war Mitglied des Stadtrats; die Tätigkeit der Kanzlei wurde von einem Notar ausgeübt, der die Stadt ebenso in Rechtsangelegenheiten vertrat. Die Artikel des Stadtrechts enthielten zudem weitere Rechte und Pflichten des Richters und der Schöffen, Anordnungen bei deren Verleumdung sowie Regelungen zu deren Bestrafung.

Zu den Rechten und Freiheiten des Stadtrechts gehörten weiterhin der Schutz der persönlichen Freiheit, des Lebens, der Gesundheit, des privaten Eigentums, der Religion, des Friedens, der Richtigkeit von Maßen und Gewichten auf dem Markt, die Möglichkeit der Anrufung des städtischen Gerichts, die Bestrafung von Hexen, Dieben, Räubern und Falschspielern sowie unter anderem die Verurteilung bei Mord und Körperverletzung. Der Umfang der Strafen bewegte sich zwischen Verbannung aus der Stadt über die Zahlung von Bußgeldern, Gefängnis, Folter, Rädern, Abschlagen von Händen bis hin zu Enthauptung, Ertränken und Verbrennen. Wer sich strafbar machte, musste auch damit rechnen, die Privilegien und Rechte eines Stadtbürgers zu verlieren. Moralische Frevel wurden mit besonders hohen Strafen geahndet. Große Aufmerksamkeit wurde zudem dem Schutz des Privateigentums und des Hausfriedens gewidmet. Wenn man zum Beispiel bei der Verteidigung seines Besitzes oder Hauses einen Angreifer oder Einbrecher totschlug, so sollte man dafür nicht bestraft werden. Brandstiftung und Diebstahl wurden äußerst streng geahndet: Versteckte man einen Dieb, wurde man ebenso schuldig gesprochen wie der Dieb selbst. Wer drei Mal bei der Verwendung eines falschen Gewichts oder Maßes erwischt wurde, bekam die Hand abgeschlagen. Interessant sind ebenso die Bestimmungen zur geistigen Sühne, verbunden mit der Verpflichtung zu einer Pilgerreise nach Rom, zum heiligen Jakob nach Santiago de Compostela oder nach Jerusalem zum Heiligen Grab.

Das Schemnitzer Bergrecht ist kürzer als das Stadtrecht, enthält aber alle für die Organisation von Bergbautätigkeiten notwendigen Vorschriften. Es regelte die rechtlichen Angelegenheiten des Bergbaus wie auch des Hüttenwesens, zum Beispiel die Grenzen der Grubenfelder, ihre Verpachtung und Nutzung, das Zusammentreffen zweier Stollen (Gegenortvortrieb), Bestimmungen zu Probestollen, Erbstollen, freien Schächten, Blindschächten und flachen Versuchsvortrieben sowie das Genehmigen von kürzeren oder längeren Zeiten der Arbeitsunterbrechung (zum Beispiel bei Krankheit oder zu kirchlichen Feiertagen), die Anteilsverpachtung, den Bau von Hütten und Mühlen auf fremdem Besitz, das Verbot der Enteignung von Bergbaubesitz bei Nichtzahlung von Schulden und Ähnliches. Bei Verstoß gegen eine der Bestimmungen wie beispielsweise bei der Verschiebung oder Beschädigung der Grenzpflöcke, mit denen die Grubenfelder abgesteckt wurden, drohte dem Schuldigen der Verlust seines Besitzes oder gar der Tod. Im Recht sind weiterhin die Funktion eines Bergmeisters sowie seine Ernennung, Befugnisse und Abberufung erwähnt. An einem Ratsbeschluss zur Beilegung von Konflikten sollten sowohl die Mitglieder des Stadtrats, die Schöffen, drei erfahrene und unbeteiligte Fachleute aus den Reihen der Montanunternehmer als auch eine staatliche Hoheit in Person des Kammergrafen beteiligt sein.

Die Erstellung des Stadt- und Bergrechts sowie die Klärung von Rechtsstreitigkeiten bedurften profunder juristischer Kenntnisse und Erfahrungen der einzelnen Ratsmitglieder, der Vertreter der Bergkammer und ebenso der Schemnitzer Bürger. Das Schemnitzer Stadt- und Bergrecht war Vorbild für die spätere Verleihung von Stadtrechten und Privilegien an andere Bergstädte im Königreich Ungarn, wie an Neusohl/Banská Bystrica (1255), Kremnitz/Kremnica (1328), Geib/Hybe (1265), Libethen/Ľubietová (1379), Bries/Brezno (1380), Göllnitz/Gelnica (1287), Pukanz/Pukanec (um 1321), Rosenau/Rožňava (Ende 13. Jahrhundert), Jossau/Jasov (1243), Zipser Neudorf/Spišská Nová Ves (1380), Liptsch/Ľupča (1263 und 1270). Am bedeutendsten waren das „goldene Kremnitz“, das „silberne Schemnitz“ und das „kupferne Neusohl“, benannt nach den wichtigsten dort gewonnenen Rohstoffen.

Den gerufenen „Gästen“ (hospites) aus anderen Regionen verlieh der Herrscher ähnliche Privilegien wie in deren Heimat. Als König von Ungarn schenkte Sigismund von Luxemburg (reg. 1411–1437) die prosperierenden mittelslowakischen Bergstädte und das Sohler Dominium im Jahr 1424 seiner Ehefrau Barbara von Cilli (1390–1451) als Widerlage (Witwengut) der ungarischen Königinnen, die dadurch finanziell abgesichert waren und gleichzeitig politischen Einfluss erlangten. Im Jahr 1425 befreite Sigismund die Bergstädte von der Zahlung von Wegzoll und anderer Gebühren bei der Einfuhr von Waren.

Zur Wahrnehmung gemeinsamer wirtschaftlicher und anderer Interessen schlossen sich 1388 in der Allianz der mittelslowakischen Bergstädte zunächst sechs und ab 1453 sieben Bergstädte („Septem civitates montane superiores“) zusammen: Kremnitz, Schemnitz, Neusohl, Pukanz, Königsberg/Nová Baňa, Libethen und Dilln/Banská Belá. Die Städte verteidigten gemeinsam ihre Interessen im Bergbau, in der Auswahl der Gruben, der Einführung einer neuen Bergordnung, aber auch gegen das expandierende Osmanische Reich und in anderen Angelegenheiten.

Das Gebiet, auf dem Edelmetalle geschürft wurden, gehörte ausschließlich dem Herrscher (Berghoheit des Königs, Bergregal). Die ortsansässigen Montanunternehmer führten einen bestimmten Pflichtteil des geförderten Erzes, die sogenannte Urbühr, an den König ab. Die ältesten Verwaltungsinstitutionen im Bergwesen waren die sogenannten Bergkammern, deren Anfänge bis in die Zeit der Arpaden zurückreichen. Ihre Aufgabe war hauptsächlich das Eintreiben der für den Herrscher bestimmten Urbühren von den Montanunternehmern, die außerdem dazu verpflichtet waren, das gewonnene Gold und Silber bei den Kammern zu wechseln. An der Spitze der Kammer stand ein Beamter, der Kammergraf („comes camerae“), der als einziger dazu berechtigt war, die Reinheit der Metalle festzulegen. Ursprünglich gab es in allen Bergstätten eigene Bergkammern, jedoch verschwanden diese mit der Reduzierung der Fördermengen allmählich. Mitte des 15. Jahrhunderts gab es sie nur noch in Schemnitz, Kremnitz und Neusohl.

Die Entwicklung des Bergbaus im 16. Jahrhundert wurde wesentlich von den politischen Verhältnissen mitbestimmt. Als Folge der Schlacht bei Mohács im Jahr 1526, als die osmanische Armee die südlichen Teile Ungarns besetzte, verließen viele Bergbauunternehmer das Land, was zum Niedergang des Bergbaus sowie der Metallproduktion in der Region führte. Die Habsburger, die den ungarischen Thron erlangten, verfolgten in der Verwaltung des Bergbaus und der damit zusammenhängenden Fachgebiete ein Zentralisierungsprinzip. Die neue gemeinsame Bergordnung der sieben Bergstädte von 1550 („Bercksordnung der Freyen Künigklichen Bercksstätt in der Tron Hungern“) sowie die Bergordnung des Kaisers und ungarischen Königs Maximilians II. (reg. 1562–1576) von 1573 proklamierten die Anstellung eines Hauptkammergrafen, dem die gewählten Bergmeister der einzelnen freien königlichen Bergstädte unterstellt werden sollten. Die Bergverwaltung wurde im 16. Jahrhundert zentral neu organisiert und dem Amt des Hauptkammergrafen als oberstem Verwaltungsorgan der Kammern und des Bergwesens in der Mittelslowakei unterstellt. Dieses neue Amt hatte im 16. Jahrhundert seinen Sitz im Gebäude des Kammerhofs in Schemnitz, wo es allmählich mit der Bergkammer verschmolz. Dem Amt oblag die Verwaltung des Bergwesens in der gesamten mittelslowakischen Bergbauregion.

Autorin: Adriana Matejková

 

Weiterführende Literatur:

Mária Čelková u. Mikuláš Čelko (Hg): Banská Štiavnica: mesto svetového dedičstva UNESCO [Schemnitz als UNESCO Weltkulturerbestadt], Banská Bystrica 2017.

Ľubomír Juck: Výsady banských miest na Slovensku v stredoveku [Privilegien der Bergstädte in der Slowakei im Mittelalter], in: Richard Marsina (Hg.): Banské mestá na Slovensku [Die Bergstädte in der Slowakei], Martin 1990, S. 82–90.

Marián Lichner u. a.: Banská Štiavnica: svedectvo času [Schemnitz als Zeuge der Geschichte], Banská Bystrica 2002.

Richard Marsina: Banskoštiavnické mestské a banské právo [Das Schemnitzer Stadt- und Bergrecht], in: Richard Marsina (Hg.): Banské mestá na Slovensku [Die Bergstädte in der Slowakei], Martin 1990, S. 13–35.

Ilpo Tapani Piirainen: Das Stadt- und Bergrecht von Banská Štiavnica/Schemnitz. Untersuchungen zum Frühneuhochdeutschen in der Slowakei, Oulu 1986.

Jozef Vozár (Hg.): Kódex mestského a banského práva Banskej Štiavnice [Kodex des Stadt- und Bergrechtes von Schemnitz], Košice 2002.

Zitation:

Adriana Matejková: Banská Štiavnica / Schemnitz. Zentrum des Bergbaus in Oberungarn, in: Das Magdeburger Recht. Baustein des modernen Europa, 15.06.2020, https://magdeburg-law.com/de/magdeburger-recht/historische-staedte/Banská Štiavnica-Schemnitz/

Der Beitrag ist bereits in ähnlicher Form erschienen in: Gabriele Köster und Christina Link (Hg.): Faszination Stadt. Die Urbanisierung Europas im Mittelalter und das Magdeburger Recht (Katalog zur gleichnamigen Sonderausstellung vom 1.September 2019 – 2.Februar 2020), Dresden 2019, S. 220–224.