Eine Stadt im Konfliktfeld von Wettinern, Askaniern und dem Reich
Die heutige Landeshauptstadt des Freistaates Sachsen (Abb. 1) entstand Ende des 12. Jahrhunderts im Gau Nisan. Das sorbische Siedlungsgebiet erstreckte sich im Elbtal von Pirna über die Dresdner Elbtalweitung bis kurz vor Meißen. Erwähnt wurde das Gau das erste Mal in einer Urkunde Papst Johannes XIII. (amt. 962–972) von 968, als er das Bistum Meißen bestätigte. Als Gründer Dresdens sind die Markgrafen von Meißen am wahrscheinlichsten. Bereits vor der Gründung der Stadt entstand wohl im 12. Jahrhundert eine Kaufmannssiedlung im Umfeld der Frauenkirche.
Der Ortsname Dresden leitet sich vom urslawischen Wort „drezga“ ab, welches einen meist sumpfigen Wald bezeichnet. Das davon abstammende altsorbische „Drežď ane“ bedeutet demnach eine Siedlung von Menschen, die am Wald wohnen.
Abb. 1: Luftbild der Dresdner Altstadt.
Die erste Erwähnung von Dresden findet sich in einer Urkunde vom 31. März 1206 wieder, in der Markgraf Dietrich (reg. 1198–1221) einen Schiedsspruch zwischen dem Bischof Dietrich II. von Meißen (amt. um 1191–1208) und dem Burggrafen Heinrich II. von Dohna (reg. 1180–1225) spricht. Ausgestellt wurde die Urkunde in dresdene.[1] Zu dieser Zeit wird bereits eine markgräfliche Burg bestanden haben. Zehn Jahre später wurde Dresden als civitas bezeichnet.[2] Es ist anzunehmen, dass die Stadtgründung um 1212 geschah. Die Überlieferung zur Verfassung der Stadt wird gegen Ende des 13. Jahrhunderts ertragreicher. Der markgräfliche Vogt trat hier noch als Gerichtsherr auf, die Bürger als Schöffen. Die Gerichtsbefugnis ging später auf einen markgräflichen Richter über, der auch Mitglied des Rates war und von ihm gewählt wurde. 1284 wurde Dresden das Recht bestätigt Willküren zu erlassen und Steuern zu erheben. 1292 ist der erste Bürgermeister nachweisbar. Aus dem Jahr 1308 ist die erste Ratsliste erhalten. Der Rat bestand demnach aus zwölf Mitgliedern und zwei Geschworenen. Dresden war nur einer von vielen Aufenthaltsorten der Markgrafen von Meißen. Da Herrschaft vor allem durch die persönliche Anwesenheit geprägt war, zog der Markgraf fortlaufend durch sein Land. Heinrich III. der Erlauchte (reg. 1221–1288) hielt sich beispielsweise in den 1270er Jahren häufig, dann in den 1280er Jahren fast ausschließlich in Dresden auf. Erst Ende des 15. Jahrhunderts als die Markgrafen von Meißen die Kurfürstenwürde erlangten, wurde Dresden zur dauerhaften Residenz.
Aussagen über das verliehene Stadtrecht finden sich erst in Urkunden Ende des 13. Jahrhunderts wieder. Wird in Urkunden von Heinrich III. dem Erlauchten und Friedrich I. (reg. 1292–1323) nur allgemein vom Stadtrecht gesprochen, bestätigten die Markgrafen von Brandenburg und der Lausitz, Waldemar (reg. 1308–1319) und Johann (reg. 1314–1317), der Stadt und ihren Bürgern am 19. Oktober 1315 alle Rechte, die sie vom Markgrafen Heinrich und Friedrich erhalten hatten und gewährten darüber hinaus auch „zcu Meydeburegischem rechte zychen vnde sich dar nach halden, zo wolle wir sie laissen vnde behaldin vnde bestetigin sie an deme vorgenanten Meydeburegischem rechte.“[3] Demnach ist anzunehmen, dass das Magdeburger Recht bereits zu Zeiten Markgraf Heinrichs des Erlauchten Geltung fand. Dafür spricht auch, dass aus späterer Zeit mehrere Anfragen aus Dresden an die Schöffenstühle in Halle und Leipzig nachweisbar sind. 1412 erwarb Dresden die niedere Gerichtsbarkeit und die Gerichtseinkünfte. Seit 1432 war es vom Landesherrn untersagt Rechtsbelehrungen auswärts, insbesondere aus Magdeburg einzuholen. Damit war nur noch der Rechtszug nach Leipzig möglich.
Dass gerade die Markgrafen von Brandenburg einer markgräflich meißnischen Stadt ihre Rechte und den Rechtszug nach Magdeburg bestätigen, deutet an, dass die Geschichte Dresdens eng mit der Entwicklung der Markgrafschaft Meißen im Spätmittelalter und der dynastischen Entwicklungen der Wettiner verbunden ist. Das Adelshaus geriet nicht nur mit den Markgrafen von Brandenburg wegen ihrer Besitzungen in Auseinandersetzungen, sondern auch mit den römisch-deutschen Königen. Selbst innerfamiliär gab es erhebliche Streitigkeiten. Zur besseren Verständlichkeit der Geschichte Dresdens ist es deshalb nötig, auch die politische und territoriale Entwicklung der Markgrafschaft Meißen in den Blick zu nehmen.
Abb. 2: Karte der Markgrafschaft Meißen in den Ausdehnungen von 983, 1156 und 1273.
Markgraf Heinrich der Erlauchte konnte in seiner langen Regentschaft die Landgrafschaft Thüringen erwerben und erhielt von Kaiser Friedrich II. (reg. 1212–1250) als Mitgift für dessen Tochter Margaretha das reichsunmittelbare Pleißenland. Der wettinische Besitz vergrößerte sich dadurch beträchtlich (Abb. 2). Als Heinrich 1288 starb, entbrannte ein innerfamiliärer Konflikt u.a. zwischen seinem Sohn Albrecht II. (reg. 1288–1292) und seinem Enkel Friedrich I. der Freidige. Friedrich nahm dabei seinen Vater nach einer Schlacht gefangen und ließ ihn erst gegen Abtretung großer Landesteile der Mark Meißen wieder frei. Albrecht veräußerte zudem 1293 die Landgrafschaft Thüringen an den römisch-deutschen König Adolf von Nassau (reg. 1292–1298). Hinzu kam auch, dass Adolf, wie sein Nachfolger Albrecht I. von Habsburg (reg. 1298–1308) die Mark Meißen genau wie das Osterland nach dem Tod Heinrichs des Erlauchten als heimgefallenes Lehen ansahen. Friedrich und sein Bruder Dietrich IV. Markgraf der Lausitz (reg. 1291–1303) waren in den nächsten Jahren darum bemüht, sich mit den Ansprüchen der römisch-deutschen Könige auf ihre Ländereien auseinanderzusetzen.
König Adolf von Nassau konnte erfolgreich gegen die beiden Wettiner vorgehen und sie mussten für einige Zeit zu Verwandten fliehen. Erst der Tod des Königs 1298 erlaubte eine Rückkehr in ihr Herrschaftsgebiet. Aber auch der Nachfolger Adolfs, Albrecht I. von Habsburg, erhob Ansprüche auf ihr Territorium, besonders auf die Landgrafschaft Thüringen. Die thüringischen Städte unterstützten den König dabei, erhofften sie sich doch die Reichsunmittelbarkeit. Die Auseinandersetzungen zwischen den Wettinern und dem Königtum zogen sich bis 1307 hin. In der Schlacht bei Lucka (nordwestlich von Altenburg) konnten Friedrich und Dietrich ein Heer unter Befehl Albrechts von Habsburg schlagen. Die Ermordung Albrechts 1308 und die Wahl des neuen Königs Heinrich VII. (reg. 1308–1313) schufen eine neue Situation. Zwar gab Heinrich VII. die Ansprüche auf Meißen und Thüringen nicht auf aber es konnte eine Einigung erzielt werden. 1310 verzichtete der König auf die Markgrafschaft Meißen und die Landgrafschaft Thüringen und belehnte Friedrich mit diesen. Im Gegenzug erhielt er vom Wettiner Unterstützung, luxemburgische Ansprüche in Böhmen durchzusetzen.
Waren die Ansprüche des Reiches nun geklärt, gab es immer noch Konflikte mit den Markgrafen von Brandenburg. Diese erhoben Anspruch auf die Fürstentümer Lausitz und Landsberg. Bei Großenhain gerieten die Wettiner und die Askanier Waldemar mit seinen noch unmündigen Vetter Johann aneinander. Friedrich und sein gleichnamiger Sohn wurden dort gefangengenommen. Beide wurden nach Tangermünde in die Altmark gebracht. Erst durch einen Friedenschluss, dem Vertrag von Tangermünde vom 13. April 1312, bei dem Friedrich auf die Lausitz, Landsberg und auf das Land zwischen Elbe und schwarzer Elster verzichtete sowie die hohe Summe von 32.000 Mark Silber zahlen musste, kam er frei. Bis zur Begleichung der Summe wurden Teile von Meißen und dem Osterland als Pfand gesetzt. Die Mark Meißen war bereits während der Regentschaft König Albrechts I. an den böhmischen König Wenzel II. (reg. 1278–1305) verpfändet worden. Dieser hatte sie 1303 an die Askanier weiterverpfändet, sie mussten aber 1305 die Gebiete an den böhmischen König Wenzel III. (reg. 1305–1306) zurückgeben, da König Albrecht I. die Mark zurückforderte.
Abb. 3: Friedrich der Freidige, sein Sohn Friedrich der Ernsthafte und Friedrich der Strenge auf dem Dresdner Fürstenzug (v.l.n.r.). Ende des 19. Jahrhunderts wurde eine Ahnengalerie der zwischen 1127 und 1873 in Sachsen herrschenden Markgrafen, Herzöge, Kurfürsten und Könige aus dem Geschlecht des Fürstenhauses Wettin auf der Außenwand des Stallhofes des Dresdner Residenzschlosses angebracht. Die Ahnengalerie wurde aus über 20.000 Fließen aus Meißner Porzellan zusammengesetzt.
Nachdem ein 1313 organisierter Landfrieden, der vor allem auf die Befriedung zwischen den Wettinern und den Askaniern abzielte, 1315 auslief, begannen die Auseinandersetzungen von neuem. Dabei gelang es den Markgrafen von Brandenburg Dresden zu besetzen. Die Thüringer Besatzung wurde vertrieben und die Stadt huldigte Waldemar. Erst Anfang 1317 gelang es zunächst einen Vergleich und später einen Frieden zwischen den Parteien herzustellen. Die Grundlage dafür war eine Ehe zwischen Friedrichs zweitgeborenen Sohn mit der Schwester des Markgrafen Johann von Brandenburg. Dieser Friede von Magdeburg war der Abschluss eines über drei Jahrzehnte andauernden Kampfes der Wettiner um ihre Erblande. Erst 1319 gelang es Friedrich die Stadt Dresden dauerhaft in die Markgrafschaft einzubinden (Abb. 3). Die Askanier hatten sie nach ihrer Einnahme 1315 an den Bischof von Meißen verpfändet. Nachdem die askanischen Markgrafen von Brandenburg 1319 ausgestorben waren, konnte Friedrich die Stadt gegen die Zahlung einer hohen Summe und der fortsetzenden Lehnsherrschaft vom Meißner Bischof erwerben.
Autor: Daniel Bierbaum
Anmerkungen:
[1] Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden, 10001 Ältere Urkunden, Nr. 148.
[2] Tom Graber (Bearb.): Urkundenbuch des Zisterzienserklosters Altzelle, Erster Teil 1162–1249 (= Codex diplomaticus Saxoniae regiae (CDS) II 19), Hannover 2019, Nr. 48.
[3] Karl Friedrich von Poser-Klett (Hg.): Urkundenbuch der Städte Dresden und Pirna (= Codex diplomaticus Saxoniae regiae (CDS) II 5), Leipzig 1875, Nr. 32.
Literatur:
Hauptstaatsarchiv Dresden (Hg.): Acta sunt hec Dresdene …, Die Ersterwähnung Dresdens in der Urkunde vom 31. März 1206, bearb. v. Eckhart Leisering (= Veröffentlichungen des Sächsischen Staatsarchiv, Reihe B: Kleine Schriften, Bd. 3), Halle (Saale) 2006.
Franz Xaver von Wegele: Friedrich der Freidige, Markgraf von Meißen, Landgraf von Thüringen, und die Wettiner seiner Zeit, Nördlingen 1870.
Erich Keyser (Hg.): Deutsches Städtebuch, Handbuch Städtischer Geschichte, Bd. 2: Mitteldeutschland, München/Berlin 1941.
Karlheinz Blaschke: Geschichte Sachsens im Mittelalter, Berlin 1989.
Walther Schlesinger: Zur Geschichte der Landesherrschaft in den Marken Brandenburg und Meißen während des 14. Jahrhunderts, in: Der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert, Tl. 2, hg. v. Walter Schlesinger, Sigmaringen 1971, S. 101–126.
Karlheinz Blaschke (Hg.): Geschichte der Stadt Dresden, Bd. 1: Von den Anfängen bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges, Stuttgart 2005.
Zitation:
Daniel Bierbaum: Dresden. Eine Stadt im Konfliktfeld von Wettinern, Askaniern und dem Reich in: Das Magdeburger Recht. Baustein des modernen Europa, 25.09.2023, https://magdeburg-law.com/de/magdeburger-recht/historische-staedte/dresden/
Bildnachweis:
Abb. 1: Wikimedia Commons, Urheber: dronepicr (CC BY 2.0)
Abb. 2: Wikimedia Commons, Urheber: Maximilian Dörrbecker (Chumwa) (CC BY-SA 2.5)
Abb. 3: Wikimedia Commons, Urheber: JoJan (CC BY 3.0)