Buda / Ofen In Karte lokalisieren

Handels- und Residenzstadt an der Donau:

Auf der Fläche des heutigen Budapest bildeten sich seit dem Mittelalter mehrere Siedlungen. Ofen, eine dieser frühstädtischen Siedlungen, erlangte als Handels- und Residenzstadt in kurzer Zeit eine landesweite Bedeutung. Außerdem entwickelte sie sich durch die günstige Verkehrslage an der Donau und dank ihrer Fernhandelsbeziehungen zu einer wichtigen Metropole Ostmitteleuropas.

All das begann erst nach dem Ende der Mongoleninvasion: In den Jahren zwischen 1242 und 1247 entstand Ofen durch eine Siedlungsverlegung auf den Berg am rechten Donauufer. Dies war auch ein Teil der Stadtentwicklungspolitik von König Béla IV. Nachdem zuerst überwiegend Ungarn nach Ofen gezogen waren, folgten einige Jahre später Deutsche vom linken Donauufer, also von der Pester Seite. Gleichzeitig kamen auch Siedler aus anderen Handelsstädten, wie aus Neutra/Nitra und Tyrnau/Trnava, hinzu.

Die ersten Einwohner Ofens gehörten vor allem zu den königlichen Dienstleuten. Zudem stammten etliche Ofener Bürger aus Wien und Regensburg. Die Ofener Oberschicht war primär in der Finanzverwaltung des Königs tätig; sie pachtete die königlichen Einnahmen, die Münzregale und den Zehnten und schloss mit dem König weitere Geldgeschäfte ab. Zusätzlich beschäftigten sich die Angehörigen dieser Oberschicht mit dem Tuchhandel und investierten ihr Geld in Grundstücke, so dass sie in der Umgebung von Ofen Meierhöfe, Weingärten, Mühlen und manchmal sogar ganze Dörfer besaßen. Auch Juden und Italiener lebten in größerer Zahl in der Stadt. Die Juden standen unter dem Schutz des Königs und wurden in den Warenverkehr aus dem Orient eingebunden, bis sie im späten 14. Jahrhundert die Stadt verlassen mussten.

Abb. 1: Mittelalterliche Mauern der Burgbefestigung in Budapest

Dominierend ab der Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert war aber ein primär handelsorientiertes Patriziat, das in wirtschaftlicher und familiärer Verbindung mit der Kaufmannschaft der oberdeutschen Städte stand. Dabei kam es vor allem zu einem Aufstieg der Nürnberger Kaufleute auch im Wirtschaftsleben der Stadt Ofen. Auch höhere Würdenträger des Königreichs hatten nun einen Wohnsitz in der Stadt, und die Kaufleute und Handwerker in Ofen übernahmen die Versorgung des Hofes sowie der Teilnehmer der Gerichtstage und Ständeversammlungen.

Bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts war die Führungsschicht der Stadt hauptsächlich deutsch. Die Handwerker aus der mittleren Schicht – die überwiegend aus den Reihen der ungarischen Bürger stammten – lebten meist getrennt von der deutschen Bürgerschaft und hatten auch eine eigene Pfarrgemeinde. Diese soziale Spaltung, also auf der einen Seite die deutsche Kaufmannschaft aus den österreichischen bzw. süddeutschen Städten und auf der anderen Seite die ungarischen Handwerker, führte im 15. Jahrhundert mehrfach zu Unruhen.

Das Stadtrecht von Ofen bildete sich aus den Siedlerfreiheiten und Privilegien. Dabei enthielt das königliche Privileg aus dem Jahr 1244, die so genannte Goldene Bulle von König Béla IV., die grundlegenden Freiheiten des Ofner Stadtrechts. Dazu gehörte die freie Wahl des Gemeindevorstehers; allerdings musste der gewählte Gemeindevorsteher vom König bestätigt werden. Außerdem besaß die Gemeinde das Recht auf die freie Pfarrerwahl, die landesweite Zollfreiheit und das Stapelrecht. Gerade letzteres machte die Märkte von Ofen attraktiv für die Kaufmannschaft, und die Stadt erhielt auch das Recht zur Ausrichtung von Jahrmärkten.

Das Ofner Stadtrecht wurde ab dem späten 13. Jahrhundert zum Muster für Verleihungen städtischer Freiheiten an neu gegründete Siedlungen: Ödenburg/Sopron, Komorn/Komárno, Kaschau/Košice, Eperies/Prešov und Bartfeld/Bardejov sowie siebenbürgische Städte – wie Kronstadt/Brașov und Hermannstadt/Sibiu – wurden von den Ofner Marktprivilegien geprägt. Auch die Regeln des Ofener Handwerks hatten Vorbildcharakter, denn die Zunftstatuten aus Ofen wurden in ungarischen Bergstädten und in Debrecen übernommen.

Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts wandte man sich aus Handelsstädten und Marktflächen mit Rechtsstreitigkeiten an den Ofener Rat, der die Rechtsfragen nach dem Stadtrecht von Ofen entschied. Zeitlich parallel bildete sich ein Städtebund aus Fernhandelsstädten (das waren die sieben königlichen Freistädte). Sie berieten einander in der Rechtsanwendung, und ab 1430 entsandten sie bürgerliche Beisitzende in das königliche Obergericht der königlichen Freistädte. Die führende Stadt in dieser Gruppe war aber natürlich Ofen.

Das Ofner Stadtrecht wurde in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts aufgezeichnet; es gibt zahlreiche Übereinstimmungen zwischen dem Ofner Stadtrechtsbuch und dem sächsisch-magdeburgischen Recht. Schon im Anfangssatz des auf Frühneuhochdeutsch verfassten Ofner Stadtrechtsbuches wies der Verfasser auf die Übereinstimmungen mit dem Magdeburger Recht hin. Diese Stelle unterstreicht also das hohe Ansehen, das das Magdeburger Recht in der Stadt Ofen genoss. Zu Beginn des Ofner Stadtrechtsbuchs wurde die Zweischwerterlehre über das Verhältnis der geistlichen und weltlichen Herrschaft, ein zentrales Thema deutscher Rechtsspiegel, erörtert. Mehrere Rechtstermini sowie Satzbau und wörtliche Übereinstimmungen sprechen für eine Verwendung von Texten des sächsisch-magdeburgischen Rechts beim Verfassen des Ofner Rechtsbuches. Ein möglicher Transferweg war der Handel mit Schlesien, aber auch die Vermittlung über Wien kann auch nicht ausgeschlossen werden. Das Stadtrechtsbuch von Ofen ist daher nach Károly Mollay die „wichtigste und umfangreichste Quelle für das neuzeitliche Rechtsleben nicht nur Ofens und der sog. königlichen freien Städte, sondern der Städte in Ungarn“.[1]

Abb. 2: Plan der Festung Ofen zur Belagerung 1684, aus: Theatrum Europaeum , Band 12 (Theatri Europaei Continuati Zwoelffter Theil), Frankfurt am Main 1691, S. 1013, Tafel 57

Die Prosperität Ofens lässt sich bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts beobachten, bis zur Eroberung der Stadt durch das Osmanische Reich. Nach 1541 flohen die Ofener Bürger in andere Handelsstädte wie Pressburg/Bratislava und Kaschau/Košice, die ähnliche Freiheiten und Stadtrechte besaßen. In Ofen hingegen verloren der Handel und das Handwerk nun an Bedeutung; man beschränkte sich auf die Versorgung der Region. Ofen war bis zum Jahr 1686 eine Verwaltungsstadt im Osmanischen Reich und damit Sitz des Budaer Vilajet. Danach, im Jahre 1703, bezogen sich die Ofener Bürger auf den Grundpfeiler des Ofner Stadtrechts, also auf die Goldene Bulle von König Béla IV., und baten den König um die Bestätigung der Freiheiten von 1244. Das Stadtrecht von Ofen hatte nicht nur eine landesweite, sondern auch eine epochenübergreifende Tradition.

Autorin: Katalin Gönczi

Anmerkung:

[1] Karl Mollay: Einleitung, in: Karl Mollay (Hg.): Das Ofner Stadtrecht. Eine deutschsprachige Rechtssammlung des 15. Jahrhunderts aus Ungarn, Budapest 1959, S. 7–31, hier S. 7.

 

Quellen:

Monumenta Diplomatica Civitatis Budapest / Budapest történetének okleveles emlékei [Urkundliche Denkmäler zur Geschichte von Budapest], Bd. 1, 1148–1301, hg. v. Dezső Csánky u.a., Budapest 1936, Bd. 3, 1382–1439, hg. v. Bernat L. Kumorovitz, Budapest 1987.

Das Ofner Stadtrecht, Eine deutschsprachige Rechtssammlung des 15. Jahrhunderts aus Ungarn, hg. v. Karl Mollay, Budapest 1959.

Weiterführende Literatur:

Balázs Nagy, Martyn Rady, Katalin Szende u. András Vadas (Hg.): Medieval Buda in Context, Leiden 2016.

Martyn C. Rady: Medieval Buda. A Study of Municipal Government and Jurisdiction in the Kingdom of Hungary, New York 1985.

András Kubinyi: Die Anfänge Ofens, Berlin 1972.

András Kubinyi: Budapest története a későbbi középkorban Buda elestéig (1541-ig) [Die Geschichte von Budapest im Spätmittelalter bis zum Fall von Buda im Jahre 1541], in: László Gerevich (Hg.): Budapest története. Bd. 2, Budapest története a későbbi középkorban és a török hódoltság idején, Budapest 1973, S. 7–334.

Katalin Gönczi, Wieland Carls, unter Mitarbeit von Inge Bily: Sächsisch-magdeburgisches Recht in Ungarn und Rumänien. Autonomie und Rechtstransfer im Donau- und Karpatenraum, Berlin 2013.

Katalin Gönczi: Ungarisches Stadtrecht aus europäischer Sicht. Die Stadtrechtsentwicklung im spätmittelalterlichen Ungarn am Beispiel Ofen, Frankfurt (Main) 1997.

László Blazovich, József Schmidt (Hg., Übers.): Buda város jogkönyve, 2 Bde., Szeged 2001.

Zitation:

Katalin Gönczi: Buda / Ofen. Handels- und Residenzstadt an der Donau, in: Das Magdeburger Recht. Baustein des modernen Europa, 11.09.2020, https://magdeburg-law.com/de/magdeburger-recht/historische-staedte/buda-ofen/

Bildnachweise:

Abb.1: Wikimedia Commons (CC BY 3.0), Foto: Marc Ryckaert

Abb.2: Wikimedia Commons, gemeinfrei