Aus einem Weichbild wird ein Städtchen:
Im Kulturtourismus ist Peitz vor allem wegen der beeindruckenden Bauwerke seiner frühneuzeitlichen Festung bekannt, die die beiden Festungsbaumeister Chiramella di Gandino und Graf Rochus zu Lynar in zwei Phasen zwischen 1559 und 1595 geschaffen haben.[1] Beide waren parallel ebenso für die Errichtung der berühmten Festung Spandau im Auftrag des brandenburgischen Kurfürsten beteiligt und verknüpften auf diese Weise fundamentale Konstruktionskenntnisse in beiden Orten. Die Baumaßnahmen blieben nicht ohne Folgen für das kleine städtische Gemeinwesen in Peitz, das um 1580 nach und nach von dem mächtigen Verteidigungsbau eingeschlossen wurde. Anders als die Festungsgeschichte, sind die Verbindungen der sich im Mittelalter konstituierenden Bürgerschaft zu Magdeburger Rechtsgewohnheiten kaum bekannt.
Die erste Erwähnung der Stadt Peitz fällt ins Jahr 1301. Sie steht im Zusammenhang mit der Veräußerung der Mark Lausitz an das Erzstift Magdeburg durch Markgraf Diezmann (Dietrich IV.).[2] Unmittelbar im Anschluss daran belehnte Erzbischof Burchard von Magdeburg – nunmehr als Lehnsherr – Dietzmann mit derselben Mark, die er ihm zuvor abgekauft hatte. 1336 nahm Erzbischof Otto von Magdeburg eine erneute Belehnung vor, die nun allerdings der in Brandenburg regierende Ludwig von Wittelsbach empfing. In der Aufzählung zahlreicher Orte und Besitzungen in der Urkunde taucht erneut Peitz auf, das jetzt „wybilde“ („Weichbild“) genannt wird.[3] Dieser aus dem Niederdeutschen stammende Begriff zeigt, dass Peitz als stadtähnliche Siedlung mit eigenen kommunalen Rechten wahrgenommen wurde.[4]
Peitz dürfte in dieser Zeit einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt haben, dank des wichtige durch die Stadt führenden Verkehrsweges zwischen Cottbus und Frankfurt (Oder). Dass der Weg zwingend durch Peitz führen musste, wurde unter der Herrschaft Kaiser Karls IV. 1371 rechtsgültig festgeschrieben. Die entsprechende Urkunde bezeichnet Peitz als „stetel“, in welchem von den Durchreisenden Zoll bzw. Geleit gezahlt werden musste.[5] Dank dieser Verkehrs- und Handelsabgaben flossen der auf der Burg Peitz ansässigen Herrschaft bedeutende Einnahmen zu. Allerdings erwirkte die einflussreichere, rund 12 Kilometer südlich in Cottbus lebende Bürgerschaft eine Befreiung vom Peitzer Zoll und Geleit. Dies dürfte durchaus ins Gewicht gefallen sein.
Bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts wechselte Peitz mehrfach den Beisitzer, der zugleich Stadtherr war.[6] Aus dieser Zeit ist ein Erbstreit überliefert, den Margarete Cruczmanns gegen Jakob Wulf um einen bei Peitz gelegenen Acker führte. Da die Peitzer Richter und Schöffen zu keiner Entscheidung kamen, wem das von beiden Parteien beanspruchte Stück Land rechtmäßig gehören sollte, baten sie 1441 die Schöffen der Stadt Luckau um Rat und Urteil. Letztere kamen dem Wunsch nach und teilten ihren Entschluss gemäß „Lugkowisschen rechte“ mit. Demnach liegt es nahe, dass sich die Peitzer Bürgerschaft an den Gewohnheiten des Luckauer Rechts orientierte, das eine enge Verwandtschaft zum Magdeburger Recht aufwies.
Die Peitzer Bürgerschaft entwickelte jedoch im Mittelalter keine vergleichbare Selbstverwaltung und Autonomie wie andere nahe gelegenen Städte, so zeitweilig Beeskow, Luckau oder Guben. Als der brandenburgische Markgraf die Niederlausitz als Pfand erhielt, gelangten „sloß Pytz herlichkeyt mit dem stettichen“ 1445 auf Lebenszeit in den Besitz Reinhards von Cottbus.[7] Mit dem Frieden zu Guben 1462 gehörte Peitz schließlich gänzlich zum Beisitz des brandenburgischen Markgrafen, der den Ort in ein landesherrliches Amt umwandelte und ihm getreuen Hauptleuten übertrug.
Unter den neuen herrschaftlichen Strukturen kam es immer wieder zu Eingriffen in die Belange der Stadt, wie es für Amtsstädte durchaus typisch war. Ein von mittelalterlichen Städten im Sinne ihrer Selbstverwaltung genutztes Instrument, wie die Stadtordnung bzw. Willkür, geriet somit in Abhängigkeit des auf der Peitzer Burg/Festung ansässigen Stadtherrn. Ein Beispiel ist die 1600 verfasste „Ordnungk im Städteleinn Peize“, die der Hauptmann Casper von Löben verordnete und mit seiner „Pezschafft“ (Siegel) für rechtsgültig erklärte.[8] Der Peitzer Rat wurde zum Gehorsam verpflichtet und hatte „strenge Aufsicht zu führen und die Bestimmung dieser Ordnung streng durchzuführen“.[9] Seine eigenen Spielräume waren dadurch stark eingeschränkt, obgleich er an der Ausgestaltung der einzelnen Bestimmungen einen Anteil besessen haben dürfte. Allein die Tatsache, dass nicht der Rat, sondern der Peitzer Hauptmann als Aussteller der Stadtordnung fungierte, zeigt die eingeschränkte Autonomie der Peitzer Stadtväter. Auch in finanziellen Belangen wurde der Rat vom Hauptmann kontrolliert und musste ihm jährlich die Rechnungsbücher mit Einnahmen und Ausgaben vorlegen. Trotzdem war er kein willenloses Instrument. Innerstädtisch besaß er nach wie vor Handlungsspielräume, wachte über die Einhaltung der Stadtordnung und entschied hierbei, wie für die frühneuzeitliche Herrschaft durchaus typisch, nach eigenem Ermessen. Somit zeigen sich auch in Peitz Formen kommunalen Strukturen, wie sie für Städte Magdeburger Rechts charakteristisch gewesen sind.
Autor: Sascha Bütow
Anmerkungen:
[1] Ralf Gebuhr: „Peitz, das lausitzische Mantua, hat nur als Festung eine Geschichte.“ Fragen an die Geschichte eines Ortes in: Von Vestungen. Die brandenburgisch-preußischen Festungen Spandau, Peitz und Küstrin, hg. vom Stadtgeschichtlichen Museum Spandau, Berlin 2001, S. 60–77.
[2] Zur Ereignisgeschichte vertiefend Rudolf Lehmann: Geschichte des Markgraftums Niederlausitz, Dresden 1937, S. 31–35, zu Peitz und den umliegenden Städten, S. 48–49.
[3] Adolf Friedrich Riedel: Codex Diplomaticus Brandenburgensis, Reihe B, Bd. 2, Nr. 728, S. 112–114, hier S. 114: „wybilde tzu Pyzne“.
[4] Dazu https://magdeburg-law.com/de/magdeburger-recht/glossar/weichbild-recht-und-saechsisches-weichbild/ [zuletzt abgerufen am 13.08.2020]
[5] Woldemar Lippert: Cottbus als Knotenpunkt von Handelsstraßen im 14. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Geschichte des Verkehrs in der Niederlausitz, in: Niederlausitzer Mitteilungen 3 (1893/94), S. 73–85, hier Nr. 2, S. 78–79.
[6] Rudolf Lehmann: Peitz, in: Handbuch der historischen Stätten, Bd. 10, Berlin und Brandenburg, hg. v. Gerd Heinrich, 3. Aufl., Stuttgart 1995, S.307–308.
[7] Rudolf Lehmann (Hg.): Quellen zur Geschichte der Niederlausitz, Teil 1, Köln/Wien 1972, S. 211.
[8] Abgedruckt bei Franz Groger: Urkundliche Geschichte der Stadt und ehemaligen Festung Peitz, Peitz 1913, Anlage 36, S. 393–394.
[9] Ebd., S. 394.
Zitation:
Sascha Bütow: Peitz. Aus einem Weichbild wird ein Städtchen, in: Das Magdeburger Recht. Baustein des modernen Europa, 11.09.2020, https://magdeburg-law.com/de/magdeburger-recht/historische-staedte/peitz/