Fürstenberg (Oder) In Karte lokalisieren

Mittelalterliche Stadtentwicklung – Brückenkopf, Herrschaftsitz und resolute Bürgergemeinde:

Die kleine, an der Oder gelegene Stadt Fürstenberg steht in der historischen Rückschau häufig im Schatten vom unmittelbar angrenzenden Eisenhüttenstadt, das Mitte der 1950er Jahre als erste sozialistische Planstadt systematisch entstanden ist. Das über Jahrhunderte selbstständige Fürstenberg wurde daraufhin als Ortsteil in die neue und größere Siedlung einbezogen. Diese moderne Entwicklung darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Fürstenberg im Mittelalter als Marktort mit Zoll und weiteren städtischen Rechten eine bedeutende Stellung im mittleren Oderraum besaß. Die folgenden Ausführungen möchten der daraus erwachsenen Rolle Fürstenbergs als Brückkopf und Herrschaftsitz in den Blick nehmen und dabei auch die Entwicklung einer resoluten Bürgergemeinde nach Magdeburger Recht einbeziehen.

Abb.1: Fürstenberg an der Oder, seit dem Mittelalter bildete die Lage am Fluss einen Pfeiler der städtischen Wirtschaft, die Bürger profitierten von der Schifffahrt, der Fischerei, dem Zoll und dem Fährbetrieb (Postkartenausschnitt 1903)

Das schon im Mittelalter kleine Fürstenberg liegt rund 30 Kilometer südlich von Frankfurt (Oder). Damit hatte die Siedlung Anschluss an einen wichtigen Verkehrsweg, denn die Oder bildete eine der wichtigsten Handelsrouten für den aus Brandenburg, den Lausitzen und Schlesien stammenden Verkehr in den Hanseraum hinein. Die daraus resultierenden Handelsbeziehungen zog insbesondere das pommersche Stettin auf sich. Darüber entstanden zahlreiche Verkehrsspannungen, die somit auch Fürstenberg zu einem wichtigen Etappenpunkt des Oderverkehrs machten. Allerdings konnte die sich seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts allmählich formierende städtische Gemeinschaft nicht gegen das mächtige Frankfurt durchsetzen, dass im mittleren Oderraum die beherrschende Stellung einnahm. Gleichwohl befand sich in Fürstenberg schon zu slawischer Zeit sehr wahrscheinlich eine befestigte Anlage bzw. Burg, die die Bedeutung der Siedlung unterstrich.[1] Von ihr aus erfolgte eine Überwachung des Verkehrs zu Land und zu Wasser.

Durch landesherrliche Privilegierungen wurde darüber hinaus in Fürstenberg in typischer Weise ein zentraler Verkehrsort geschaffen. In frühstädtischer Zeit trugen die Markgrafen von Meißen aus dem Geschlecht der Wettiner diesen Prozess. Eine auf sie zurückgehende Zollstelle ist 1286 zum ersten Mal urkundlich zu fassen.[2] 40 Jahre später tritt darüber hinaus ein in Fürstenberg tätiger Zöllner urkundlich in Erscheinung, indem er die Gubener Kaufleute widerrechtlich mit Zollzahlungen belastete. Dies zog eine ernstliche Ermahnung des brandenburgischen Markgrafen Johann und seiner Mutter, Herzogin Anna von Breslau nach sich, da sich die Kaufleute aus Guben auf Zollbefreiungen berufen konnten.[3] Für die hohe verkehrsgeschichtliche Bedeutung Fürstenbergs spricht auch der Umstand, dass sich hier eine Fähre befand. Diese  wichtige infrastrukturelle Einrichtung war nach einer aus dem Jahr 1335 stammenden Urkunde „der stat rechte gut“[4], womit ein Verweis auf das Stadtrecht Fürstenbergs erfolgte. Dieses orientierte sich an den Rechtsnormen Magdeburgs, wie eine aus dem Jahre 1331 stammende Urkunde verrät. Dem Urkundentext folgend baten die Bürger Fürstenbergs ihren Stadtherren Abt Johann von Neuzelle darum, ihnen die Gültigkeit des Magdeburger Rechts zu bestätigen. Wie erkennbar wird, galt dieses in Fürstenberg seit alters (ab antiqiuo). Allerdings bestand die Bürgerschaft auf eine in der Urkunde nur allgemein angesprochene Abweichung von der in Magdeburg üblichen Reglung zum Umfang des Erbteils einer Witwe. Mit Blick auf die Forschungen Heiner Lücks darf dies durchaus als typisch gelten, denn es war wie in Fürstenberg vor allem das Erbrecht, das „in den Stadtrechten ortsspezifisch gestaltet wurde.“[5]

Abb.2: Kloster Neuzelle, seit 1316 besaßen Abt und Konvent die Stadt Fürstenberg, mussten sie 1370 an Kaiser Karl IV. verkaufen und setzten sich 1406 für den Wiedererwerb ein (Aufnahme 2012 Peter Kuley)

Zusammengenommen boten die Reglungen des Fürstenberger Stadtrechtes die Grundlage dafür, dass der Ort einen Zwangspunkt des Verkehrs bildete, der v.a. für diejenigen galt, die keine entsprechenden Zollbefreiungen besaßen. Die Stadt wirkte über ihre Rechte somit in das Umland und blickte dabei insbesondere auf den Flussverkehr. Ohne Zweifel besaß Fürstenberg damit eine hohe Attraktivität. Seinem Besitzer bot es die Möglichkeit eines Oderzugangs und einen keineswegs unbedeutenden Marktort, an dem eine beträchtliche Summe Zolleinnahmen zusammenfloss. Nicht zuletzt aus dieser Perspektive kann der Erwerb des Städtchens durch das Kloster Neuzelle 1316 verstanden werden. Die Anbindung an den Oderverkehr und ein Absatzmarkt für die innerhalb der eigenen Grundherrschaft erwirtschafteten Überschüsse waren demnach auch für das Kloster Neuzelle wichtige mit dem Erwerb Fürstenbergs verbundenen Intentionen. Die Mönche sicherten sich und ihren Hintersassen in Fürstenberg zudem die freie Überfahrt von einem Oderufer zum anderen.[6] Die Fürstenberger Bürgerschaft setzte sich im Lauf des 14. Jahrhunderts ihrerseits für eine Erweiterung städtischer Rechte und Privilegien ein. So erlangte sie vom brandenburgischen Markgrafen Ludwig 1350 weitereichende Zollbefreiungen im märkischen Gebiet.

Fürstenberg war also aus infrastruktureller Sicht alles andere als eine „tabula rasa“ als Karl IV. das Kloster Neuzelle 1370 sehr wahrscheinlich drängte, ihm das „stetyl“ – wie es hieß – zu verkaufen. Dieser Erwerb Fürstenbergs ist einerseits durch eine Urkunde, aber auch durch die Chronik des Benesch von Weitmühl belegt. In letzterer heißt es über das Jahr 1370, dass Karl im Lande Lausitz ein Städtchen an der Oder, das man Fürstenberg nenne und in der Nähe Frankfurt liege, gekauft habe. Dort habe er ganz nahe am Fluss eine Burg errichtet und gleichfalls die Stadt befestigt. Zudem habe Karl eine Brücke über die Oder bauen lassen. Während all dieser Baumaßnahmen, sei der Kaiser selbst in Fürstenberg gewesen, um deren Fortschritt zu begutachten.[7]

Bewertet man diese Äußerungen des böhmischen Chronisten so ist zunächst festzustellen, dass Karl eine Burg keineswegs von Grund auf neu anlegen ließ. Wie bereits erwähnt, befand sich dort bereits ein befestigter herrschaftlicher Platz. Karl schien seinerseits vielmehr Ausbauten und Veränderungen vorgenommen zu haben. Auch der angesprochene Brückenbau schien nicht massiv gewesen zu sein, da dieses Bauwerk nach Karl keine Erwähnung mehr findet. Immerhin jedoch schien sie tatsächlich vorhanden gewesen zu sein. Dies gibt eine Urkunde des regierenden Markgrafen Otto von Wittelsbach von 1371 zu erkennen. Hierin beschwerte sich der brandenburgische Landesherr darüber, dass Karl IV. wort- und bündnisbrüchig geworden sei und zu allem Überfluss eine Brücke errichtet habe, womit diejenige in Fürstenberg gemeint war. Unmissverständlich machte der Markgraf klar, dass dies „wider vnszern vnd vnszer Lande willen“ sei.[8] Hieran ist zu erkennen, dass man 1370/71 von brandenburgischer Seite die Vorgänge in Fürstenberg sehr genau beobachtete. Für Karl bot sich in diesem alles andere als unscheinbaren Ort ein wichtiger Brückenkopf, über den er von Böhmen und Schlesien aus in die Mark gelangen konnte. Zugleich brüskierte er damit die mächtige Stadt Frankfurt, die in ihrer Geschichte mehrfach gegen konkurrierende Oderübergänge zur Wahrung der eigenen Stapel- und Stadtrechte vorging. Karl nutzte diese Situation offenbar machtpolitisch bewusst aus, indem er mit dem gewachsenen Fürstenberg Druck auf Brandenburg ausübte, dessen Erwerb ihm immer deutlicher vor Augen stand und wenig später auch wirklich gelang. Damit wurde es um Fürstenberg alles andere als still. Der Ort blieb für Karl bedeutsam. Noch 1371, nach dem Erwerb der Stadt, hatte er die Rechte der Bürgerschaft in typischer Weise bestätigt. 1374 statte er die Fürstenberger seinerseits mit Handels- und Verkehrsrechten aus, indem er ihnen „in navigio vel curribus“ (zu Schiff und zu Wagen) die Zoll- und Geleitgebühren für ihre durch die Mark Brandenburg zu führenden Waren erließ.[9] Die landesherrlichen Interessen in Fürstenberg vertrat ein von Karl bestellter Hauptmann, der noch 1390 im Rahmen eines Streites um die zwischen Stadt und Dorf Vogelsang verlaufenden Grenzen Erwähnung findet.[10]

Abb.3: Denkmal Kaiser Karls IV. in Tangermünde. Der berühmte Luxemburger baute Fürstenberg zum Zweck des Erwerbs der Mark Brandenburg aus. Mit dem Kauf der Markgrafschaft 1373 verlagerte er seinen herrschaftlichen Schwerpunkt für einige Zeit nach Tangermünde (Foto ZMA, Martin Müller)

Blickt man dagegen abschließend auf das, was Karl in Fürstenberg nach seinem Tod hinterließ, so ist auffällig, dass das Kloster Neuzelle offensichtlich nachhaltig den Rückerwerb der Stadt anstrebte. Unter der Herrschaft des Markgrafen Jobst von Mähren gelang dies 1406.[11] Damit öffnete sich wiederum Tür und Tor für neue Planungen vor Ort. Von der von Karl aufgerichteten Brücke ist – wie schon gesagt – im 15. Jahrhundert nichts weiter zu erfahren. Aus dem in der ersten Hälfte des 15. Jahrhundert angefertigten und bruchstückhaft überlieferten Neuzeller Erbregister ist zu erfahren, dass sich die Mönche aufgrund alten Herkommens die bei Fürstenberg befindliche Oderüberfahrt „ane mite“ und „ummesuͤst“ zugesichert hatten, was für einen Weiterbetrieb der im städtischen Recht befindlichen Fähre schließen lässt.[12] Der Zoll in Fürstenberg dagegen wurde an der Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert zum Objekt herrschaftlicher Kommerzialisierung. So wanderte die Hälfte der zu entrichtenden Gebühren in den erblichen Besitz des Gubener Bürgers Nickel Krebs mit dem Recht auf Wiederverkauf des Zolls.[13] Bereits der Vater des Nickel Krebs verfügte über ein ähnliches Recht. Dies verdeutlicht den großen Einfluss der Stadt Guben auf den nach Pommern führenden Oderhandel.

Fürstenberg blieb somit auch nach Karl ein wichtiger Etappenpunkt für diesen Handel. An ihm hatte – wie man aus einem Sprottauer Ratsbekenntnis aus dem Jahr 1483 ersieht – auch die dortige Kaufmannschaft regen Anteil.[14] Die Händler hatten bestätigt, dass sie ihre Güter nach alter Gewohnheit in Crossen an der Oder einschifften und sie entweder über Land oder weiter zu Wasser nach Pommern transportierten. In diesem Zusammenhang hätten sie stets nicht nur in Frankfurt, sondern ebenso in Fürstenberg den gewöhnlichen Zoll entrichtet. Die nach magdeburgischem Vorbild organisierte Rechtsstadt fügte sich damit über das Mittelalter hinaus als wichtiger Marktort in das Geflecht der städtischen Gemeinschaften des mittleren Oderraums ein.

Autor: Sascha Bütow

Anmerkungen:

[1] Rudolf Lehmann: Fürstenberg a. d. Oder, in: Handbuch der historischen Stätten, Bd. 10, Berlin und Brandenburg, hg. v. Gerd Heinrich, 3. Aufl., Stuttgart 1995, S. 192–193, hier S. 192.

[2] Emil Theuner (Hg.): Urkundenbuch des Klosters Neuzelle und seiner Besitzer, Lübben 1897, Nr. 7, S. 7.

[3] Ebd., Nr. 20, S. 15.

[4] Ebd., Nr. 41, S. 27.

[5] Heiner Lück: Stadtrechte in der Altmark – ein Überblick, in: Sachsen und Anhalt 32 (2020), S. 41–77, hier S. 63.

[6] UB Neuzelle (wie Anm. 2), Nr. 41, S. 29.

[7] Sascha Bütow: Die Hanse im Blick. Verkehrsplanung und Wegelenkung Karls IV. im Umfeld der Erwerbung der Mark Brandenburg im Jahr 1373, in: Karl IV. Ein Kaiser in Brandenburg, hg. v. Jan Richter, Peter Knüvener u. Kurt Winkler, Potsdam 2016, S. 61–65.

[8] Adolf Friedrich Riedel: Codex Diplomaticus Brandenburgensis, Reihe B, Bd. 2, Nr. MCXV, S. 509–511, hier S. 509.

[9] UB Neuzelle (wie Anm. 2), Nr. 69, S. 49.

[10] Ebd., Nr. 77, S. 53f.

[11] Ebd., Nr. 86, S. 59f.

[12] Ebd., Anhang Nr. 1, S. 117.

[13] Ebd., Nr. 137, S. 89.

[14] Ebd., Nr. 113a, S. 115f.

 

Zitation:

Sascha Bütow: Fürstenberg (Oder). Mittelalterliche Stadtentwicklung – Brückenkopf, Herrschaftsitz und resolute Bürgergemeinde, in: Das Magdeburger Recht. Baustein des modernen Europa, 27.07.2020, https://magdeburg-law.com/de/magdeburger-recht/historische-staedte/fuerstenberg-oder/

Bildnachweis:

Abb.1: zeno.org