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Musterbeispiel einer Lokation nach Magdeburger Recht

Zu Beginn des 14. Jahrhunderts war das heutige Gebiet Polens in mehrere Herzogtümer zergliedert, die sich im Besitz verschiedener Zweige der Familie der Piasten befanden. Ein ansehnliches Gebiet machte dabei das Herzogtum Krakau-Sandomir aus, das oft als Klein-Polen bezeichnet wird. Bewaldete Höhen und Hügel prägten große Teile der sich zwischen Weichsel, Wieprz, unterem San und Tyśmienica erstreckenden Landschaft, zu der auch das Lubliner Gebiet gehörte. In diesem Teil Polens kam es erst zu Beginn des 14. Jahrhunderts zu einem systematischen Landesausbau, der eng mit Herzog Władysław Ellenlang (1260–1333) und König Kasimir den Großen (1310–1370) verbunden ist. Von polnischen Historikern wird diese Periode daher oft als Umbruchszeit angesehen.

Abb. 1: Lokationsprivileg der Stadt Lublin, ausgestellt in Krakau/Krakow am 15. August 1317.

Lublin wurde in dem genannten Gebiet zwischen mittlerer Weichsel und Dunajec als erste städtische Siedlung 1317 planmäßig gegründet und erhielt, wie ein Privileg des Herzogs Władysławs zeigt, in diesem Zusammenhang das magdeburgische Recht (iure Maydburgensi). Aus dem Dokument ist weiterhin zu erfahren, dass der Aufbau der Stadt und die damit verbundene Organisation in die Hände des Krakauer Bürgers Maciej (dt. Matthias, gest. um 1330) gelegt wurden. Dieser war dem Herzog alles andere als unbekannt, da er seinem Landesherrn als Statthalter (nostro procuratori) diente und außerdem das Amt eines Erbvogtes der Stadt Opatowiec ausübte. Somit verfügte Maciej über einen reichen Erfahrungsschatz, den der Herzog bei der planmäßigen Lokation der Stadt Lublin nutzen wollte.

 

Abb. 2: Blick in den historischen Stadtkern von Lublin mit der Heilig-Geist-Kirche, die nach einem Brand 1419 neu entstand. In einem angrenzenden Hospital fanden Reisende, Kranke und Versehrte am Rande der Altstadt Schutz und Zuflucht.

Die Gründung Lublins erfolgte jedoch nicht aus wilder Wurzel. Im Rahmen seiner Tätigkeiten konnte Maciej stattdessen an eine Siedlung anknüpfen, die unmittelbar an die auf einem Hügel errichtete Lubliner Burg grenzte. Eine weitere Siedlung befand sich nordöstlich davon im Anschluss an die Kirche des Archidiakonats. Lublin war damit bereits zu dieser frühen Zeit ein herrschaftlicher und kirchlicher Zentralort. Mit dem 1317 einsetzenden Ausbau zur Rechtsstadt wurden diese vorhandenen Siedlungsteile erweitert. Auch hierüber gibt das herzogliche Privileg Auskunft, indem der Bürgerschaft 100 Hufen zur Anlage von Wohngrundstücken, Ackerflächen und Gärten übertragen wurden. Lublin erhielt außerdem eine Befreiung von Steuerzahlungen für 20 Jahre. Die Rechtsprechung sollte in den Händen des Maciej liegen. In sein Urteil durften keine landesherrlichen Gefolgsleute mit eigenen Vorladungen eingreifen. Jedoch war es den Lubliner Bürgern möglich, Berufung beim Landesherrn einzulegen.

 

Abb. 3: Fragmente einer Wasserleitung aus Lublin. Der Stadtrat war im Sinne der kommunalen Selbstverwaltung für die Versorgung der Stadtbewohner mit Frischwasser zuständig. Die Wasserleitung stammt aus dem 16. Jahrhundert und war bis 1673 in Gebrauch.

Ausgestattet mit diesen und weiteren Rechten entwickelte sich Lublin nicht zuletzt durch seine verkehrsgünstige Lage, die dem Ort Handelskontakte mit dem Schwarzmeerraum, den Küstenstädten an der Ostsee und Städten in Ungarn sowie Masowien bescherten, zu einem bedeutenden und systematisch ausgebauten städtischen Zentrum.

 

 

 

Autor: Sascha Bütow

 

Literatur:

Erwin Hoff: Lublins Gründungshandfesten zu deutschem Recht 1317/1342 (= Schriftenreihe des Instituts für deutsche Ostarbeit, Sektion Geschichte 2), Krakau 1942.

Andrzej Rozwalka, Rafał Niedzwiadek u. Marek Stasiak:  The medieval urban centre in Lublin, in: Polish lands at the turn of the first and the second millenia, hg. v. Przemyslaw Urbanczyk, Warschau 2004, S. 357–382.

Ryszard Szcygieł: Die Lokation Lublins nach Magdeburger Recht und der Weg zur Blüte der Stadt im 14. Jahrhundert, in: Annales Universitatis Mariae Curie-Skłodowska Lublin 72 (2017), S. 179–203.

 

Zitation:

Sascha Bütow: Lublin. Musterbeispiel einer Lokation nach Magdeburger Recht, in: Das Magdeburger Recht. Baustein des modernen Europa, 20.09.2023, https://magdeburg-law.com/de/magdeburger-recht/historische-staedte/lublin/

 

Bildnachweis:

Abb. 1: Stadtarchiv Lublin, Dml, sygn.1, 15. August 1317, Pergament 45×34 cm

Abb. 2:  wikimedia commons (CC BY-SA 4.0), Foto: Marcin Białek

Abb. 3: Lublin, Muzeum Historii Miasta Lublina, ML/H/Nbm/446, ML/H/Nbm/447, ML/H/Nbm/448, ML/H/Nbm/449