Kommunale Rechtsentwicklung in enger Beziehung zur Stadtherrschaft
Im Falle Lübbenaus ist während des Mittelalters aus einem großen Angerdorf eine Marktsiedlung erwachsen, die 1315 als oppidum erstmals erwähnt wird.[1] Zu verdanken ist diese Nennung einem umfänglichen Gütergeschäft, das Bodo der Ältere von Ileburg als Verkäufer der Burg Lübbenau an den Ritter Christian Lange den Älteren vornahm.[2] Die Entwicklung der in dieser Veräußerung inbegriffenen Siedlung Lübbenau war stark abhängig von den jeweils auf der Burg ansässigen Grund- und Stadtherren.[3] Diese wechselten vom 14. bis zum 16. Jahrhundert recht häufig und gehörten in der Niederlausitz bekannten Adelsgeschlechtern wie den Köckeritz, Kracht, Polenz und von der Schulenburg an.
Abb. 1: Im Mittelalter befand sich an der Stelle des heutigen Schlosses Lübbenau eine Wasserburg, die um 1600 zum Schloss umgebaut wurde. Das heutige Aussehen erhielt das Gebäude zwischen 1817 bis 1820. Auf der Burg bzw. dem Schloss saßen der Stadtherr von Lübbenau (wikimedia commons, Foto A. Savin).
Nicht zuletzt in rechtlicher Hinsicht nahmen diese Grundherren Einfluss auf die städtische Verfassung, wie sich besonders deutlich in einer Eintragung des Lübbenauer Schöffenbuches zeigt. Für das Jahr 1490 wird hier nämlich verlautbart, dass Richter und Schöffen Auskunft darüber geben mussten, „was wir vor gerechtigkeit in dem stetchin L.[übbenau] hetten und das durch den gestrengen unßern lieben erbhern von Palenck und Peter von Polenck irwirben haben.“[4] Hiermit wird deutlich, dass die beiden Polenz Lübbenau zuvor mit einer Erweiterung der städtischen Rechte bedacht hatten. Dass sie es waren, von denen Lübbenau das Stadtrecht schlechthin erhalten hatte, ist unwahrscheinlich. Die Stadtrechtsverleihung dürfte vielmehr bereits durch die Familie von Ileburg erfolgt sein, worauf drei im ältesten Lübbenauer Siegel verwendete Sterne hindeuten, die auch im Wappen dieses Adelsgeschlechts enthalten sind.[5]
Rechtlich konnte sich die Lübbenauer Bürgerschaft weit weniger ausprägen, als es den direkt dem Landesherrn unterstehenden Städten wie beispielsweise Luckau oder Guben gelang. Dennoch war auch der Rat von Lübbenau bestrebt, seine erworbenen Rechte zu wahren und wenn möglich zu erweitern. Dies konnte nur in enger Abstimmung mit der Stadtherrschaft geschehen, wie die bereits erwähnten und 1490 zwischen Richter, Schöffen und Stadtherrschaft abgehaltenen Verhandlungen um die Lübbenauer Stadtrechte verdeutlichen. Wie das Schöppenbuch ausführt, waren neben Richter und Schöffen ebenso Vertreter aus der Bürgerschaft, „Arm und Reich“, vor Hans von Drauschwitz als Hauptmann und Stellvertreter des Stadtherrn erschienen, um das überlieferte Recht Lübbenaus zu bezeugen. Dazu gehörte die von der Herrschaft zugebilligte Hütung von Schweinen und Kühen. Des Weiteren besaß die Stadt einen Rain, womit vermutlich ein fest umgrenztes Nutzgebiet gemeint war. Die Schöffen der Stadt durften zudem kleinere Delikte wie das Messerziehen, Stehlen oder Benutzen falscher Maße selbst ohne Hinzuziehen der Herrschaft richten. In diesen Fällen waren jedoch anteilige Beträge der von den Verurteilten zu leistenden Strafzahlungen an den Stadtherrn zu entrichten.[6] Lübbenau besaß damit die Kompetenz der niederen Gerichtsbarkeit. Die hohe Gerichtsbarkeit, die ebenso über Leib und Leben entschied, blieb dagegen dem Stadtherrn vorbehalten.
Abb. 2: Sankt Nikolai Kirche in Lübbenau. Der heutige Bau geht auf das 18. Jahrhundert zurück (wikimedia commons, Foto A. Savin).
Ein Bürgermeister wird erstmals für das Jahr 1483 erwähnt.[7] Erst allmählich gelang es, die Bedeutung dieses Amtes zu steigern, so dass sich im Verlauf des 16. Jahrhunderts die Reihenfolge „Bürgermeister, Richter und Schöppen“ bei Beurkundungen durchzusetzen begann.[8] Doch auch dieses repräsentative Amt blieb nicht von Einflussnahmen des Stadtherrn verschont, wie sich anhand von Adam Bagge zeigt, der 1660, nachdem er ursprünglich Trompeter des Stadtherrn Johann Siegmund Graf von Lynar war, zum Lübbenauer Bürgermeister ernannt wurde.[9] Auch die Schöffen wurden gewöhnlich durch den Stadtherrn in ihr Amt eingesetzt. Zwischen den Ratsherren und Schöffen bestanden zumeist enge Beziehungen, sodass mitunter dieselben Personen in beiden städtischen Institutionen vertreten waren.[10] Diese Vermischung der Ämter wurde in anderen Städten Magdeburger Rechts nicht selten kritisch gesehen, so dass man wie etwa in Jüterbog Ratsherren verbot, zugleich Schöffe oder Verordneter zu sein.[11] Dennoch ist unstrittig, dass sich Lübbenau nach Gewohnheiten Magdeburgs richtete, da Eintragungen im Schöppenbuch die Einholung von Rechtsauskünften bei den Magdeburger Schöffen belegen. [12] Außerdem wurde der näher liegende Schöppenstuhl in Luckau angerufen, wie das dort überlieferte Schöffenbuch mit zwei aus dem 15. Jahrhundert stammenden Einträgen veranschaulicht.[13] In diesen Fällen fanden die aus Magdeburg übernommenen Gewohnheiten in ihrer angepassten Form des „Lugkowschen recht[s]“ Anwendung.
Die Wirtschaft Lübbenaus wurde durch Gewerke wie Leineweber, Schuster, Bäcker und Schmiede geprägt. Die Bürger und übrigen Einwohner waren zudem zu Hofdiensten beim Stadtherrn verpflichtet und mussten diesen durch Stellen von Aufgeboten bei Heerzügen begleiten, womit der Status Lübbenaus als Mediatstadt deutlich wird. Dies umfasste gleichfalls ein Bemühen des Stadtherrn um Einhaltung und Durchsetzung der Lübbenauer Rechte gegenüber Dritten. Insbesondere mit der Stadt Lübben kam es im 15. und 16. Jahrhundert zu teilweise heftigen Auseinandersetzungen um verschiedene Nutzungsrechte im Spreewald, in deren Aushandlung sich der Lübbenauer Stadtherr als Vermittler betätigte. Hierbei entwickelten die Einwohner der Stadt Lübbenau mitunter Ansprüche, die deutlich über ihre kommunalen Rechte hinausgingen. So klagte der Lübbener Rat im Februar 1550 beim Landvogt der Niederlausitz, dass Bewohner Lübbenaus im Verbund mit Personen aus den Dörfern Ragow, Krimnitz, Zerkwitz, Radensdorf und Zauche im Spreewald auf einem zum Schloss Lübben gehörenden Gebiet Holz gehauen von dort weggeflößt hätten. Die des Raubes bezichtigen Delinquenten beriefen sich im Gegenzug auf die Spreewaldrechte des Georg von der Schulenburg zu Lübbenau, deren Ausübung sie als dessen Untertanen auch für sich in Anspruch nahmen.[14]
Abb. 3: Der Spreewald zwischen Leipe und Lehde. Um die Nutzung innerhalb dieses bedeutsamen Gebietes entbrannten seit dem Mittelalter immer wieder rechtliche Streitigkeiten zwischen Lübben und Lübbenau (wikimedia commons, Foto Rentner55).
Vom Landvogt Albrecht Graf von Schlick vermittelte Kompromisse hielten nicht, so dass weitere Rechtsstreitigkeiten folgten. Unter Joachim II. von der Schulenburg eskalierte die Situation derart, dass Lübbener Einwohnern im Spreewald von Seiten Lübbenaus gepfändet worden ist. Zudem klagte der Lübbener Rat darüber, dass man seine Einwohner bei der Arbeit im Spreewald geschlagen, gefangen genommen und auf das Schloss Lübbenau gebracht habe.[15] Innerhalb dieser oft gewalttätig ausgetragenen Konflikte waren die Bürger Lübbenaus eng verbunden mit ihren Stadtherren und stützen deren Position. Weder die böhmischen Könige als Herrscher der Niederlausitz noch ihre Stellvertreter waren in der Lage, diesen Rechtsstreit um den Spreewald dauerhaft zu lösen. Die im Spätmittelalter gewachsenen Auseinandersetzungen hielten so bis weit in das 16. Jahrhundert an.
Autor: Sascha Bütow
Anmerkungen:
[1] Lehmann, Rudolf: Art. >Lübbenau<, in: Handbuch der Historischen Stätten Deutschlands. Bd. 10: Berlin und Brandenburg, hg. v. Gerd Heinrich. Stuttgart. 3. Aufl. 1995, S. 274f., hier S. 275.
[2] Die Urkunde ist abgedruckt in den Destinata Literaria et Fragmenta Lusatica. Bd. II. T. I, Lübben 1747, S. 17–19.
[3] Czech, Vinzenz: Die Herrschaft Lübbenau, in: Marksteine. Eine Entdeckungsreise durch Brandenburg-Preußen. hg. v. Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte beim Museumsverband des Landes Brandenburg e.V., Berlin 2001, S. 263f.
[4] Zitiert nach Lehmann, Rudolf: Das älteste Stadtbuch (Schöppenbuch) der Spreewaldstadt Lübbenau, in: FS für Walter Schlesinger. Bd. 1, hg. v. Helmut Beumann. Köln/Wien 1973, S. 382–405, hier S. 385.
[5] Fahlisch, Paul: Geschichte der Spreewaldstadt Lübbenau, Berlin 1877, S. 42.
[6] Die Rechte sind in übersetzter Form wiedergegeben bei ebd., S. 53.
[7] Lehmann, Rudolf: Das älteste Stadtbuch (wie Anm. 4), S. 388.
[8] Fahlisch, Paul: Geschichte der Spreewaldstadt Lübbenau (wie Anm. 5), S. 128.
[9] Bagge hatte seinem Herrn in der Schlacht von Leipzig 1642 das Leben gerettet. Vgl. Czech, Vinzenz: Die Herrschaft Lübbenau (wie Anm. 2), S. 263.
[10] Lehmann, Rudolf: Das älteste Stadtbuch (wie Anm. 4), S. 392.
[11] Rohrlach, Peter P.: Historisches Ortslexikon für Brandenburg. T. X: Jüterbog-Luckenwalde (= Veröffentlichungen des brandenburgischen Landeshauptarchivs 26). Weimar 1997, S. 226.
[12] Lehmann, Rudolf: Das älteste Stadtbuch (wie Anm. 4), S. 393.
[13] Lehmann, Rudolf (Bearb.): Quellen zur Geschichte der Niederlausitz. T. II (= Mitteldeutsche Forschungen 68/II). Köln/Weimar 1976, Nr. 38a, S. 64 u. Nr. 43b, S. 71.
[14] Potsdam, Brandenburgisches Landeshauptarchiv Rep. 8 Lübben 12/1, fol. 156r.
[15] Ebd., fol. 232r.
Zitation:
Sascha Bütow: Lübbenau. Kommunale Rechtsentwicklung in enger Beziehung zur Stadtherrschaft , in: Das Magdeburger Recht. Baustein des modernen Europa, 01.07.2022, https://magdeburg-law.com/de/magdeburger-recht/historische-staedte/luebbenau/