Ein Marktort magdeburgischer Prägung an der Neiße:
Guben/Gubin gehörte im Mittelalter zu den bedeutendsten Städten in der Niederlausitz. Aus rechtshistorischer Sicht ist v.a. ein aus dem Jahr 1235 überliefertes Privileg für die Stadt hervorzuheben, das ihr Markgraf Heinrichs von Meißen verlieh. Der Fürst billigte darin seiner Gubener Bürgerschaft u.a. die Anwendung des Magdeburger Rechts zu: Jus enim tale, quale Magdeburgenses habent.[1] Die Stadt war in dieser Zeit bereits ein bedeutender Umschlagplatz für Salz, das vor allem aus dem mitteldeutschen Gebiet um Halle an der Saale stammte und in Guben häufig von Fuhrwagen auf Schiffe umgeladen wurde, die auf der Neiße und Oder verkehrten. In diesem Zusammenhang gestattete Markgraf Heinrich den Gubenern laut der erwähnten Urkunde, an jener Stelle, an der die Salzwagen (currus salis) hielten, einen Zoll zu erheben. Um diesen wichtigen Handelsplatz hatten sich für die Stadt Guben lukrative Markt- und Verkehrsbeziehungen entwickelt. Ein frühes Beispiel stammt bereits aus dem Jahr 1211, in dem der schlesische Herzog Heinrich I. dem an der Oder gelegenen Kloster Leubus (Lubiąż) das Recht zusprach, jährlich mit zwei Schiffen zollfrei sein Herrschaftsgebiet zu passieren, um nach Guben, Leubus und Pommern zu gelangen. Hieraus ist zu schließen, dass die Leubuser Mönche in Guben einen Teil ihres Salzbedarfs deckten. Interessant ist außerdem, dass für dessen Transport anstelle der Schiffe alternativ 40 Wagen genutzt werden durften.[2]
Abb. 1: Postkarte aus den 1910er Jahren. Die ehemalige Altstadt Guben/Gubin gehört heute zur Republik Polen. Aus der alten Kloster-Vorstadt entwickelte sich auf deutscher Seite das brandenburgische Guben.
Guben war nicht nur Anlaufpunkt fremder Schiffer und Fuhrunternehmer. Die hiesige Bürgerschaft betrieb selbst einen regen Handelsverkehr, in dem die Schifffahrt eine große Rolle spielte. Dies setzte eine gezielte Rechteaneignung durch den Gubener Rat bezüglich der Flüsse Neiße und Oder voraus. Vor diesem Hintergrund ist eine stadtrechtliche Bestätigungsurkunde des Herzogs Bolko II. von Schweidnitz-Jauer aus dem Jahr 1367 zu erwähnen, welcher eine Urkunde des thüringischen Landgrafen Dietrichs IV. inseriert ist. Letztere wiederum enthielt noch ältere Bestimmungen einer vor 1288 ausgestellten Urkunde des Markgrafen Heinrich von Meißen. Dem Urkundentext nach hatte dieser Guben zugestanden, „mit eigen schiffen off. der Odir“ zu fahren.[3] Hierbei waren die Gubener vom Zoll in Fürstenberg ausdrücklich befreit, das etwa auf halbem Weg in Richtung Frankfurt direkt an der Oder liegt und das vermutlich wie Guben eine Gründung des Markgrafen Heinrich ist.[4] Sofern die Gubener allerdings mit fremden Schiffen die Oder abwärts fuhren, mussten sie die Hälfte des gewöhnlichen Zolls zahlen. Diese Zollrechte ließ sich der Gubener Stadtrat 1316 von Markgraf Johann von Brandenburg und der Herzogin Anna von Breslau bestätigen. Beide erließen ein entsprechendes Mandat an den Fürstenberger Zöllner Henymanno Messow, wonach er die Gubener nicht mit Forderungen belasten durfte est ab antiquo, also von alters her.[5]
Die Gubener Bürger partizipierten über diese Rechte in umfänglicher Weise am Oderhandel, der in Richtung Stettin führte. Auf diesem Weg war eine weitere wichtige Zollstelle zu passieren, an der Guben gleichfalls Vergünstigungen erhielt. Dies betraf den Ort Oderberg, wo die Bürgerschaft Gubens durch ein Privileg des Markgrafen Jost von Mähren 1401 dieselben Zollabgaben wie die Frankfurter Bürger entrichten sollten, worin offenbar Vorteile lagen. Neben Getreide exportierten die Gubener Schiffer über Stettin insbesondere Wein, der innerhalb des Hansegebietes große Verbreitung erfuhr. Davon zeugt eine Rechtsregelung der Hanse, die im Anschluss an den Lübecker Hansetag von 1383 gefasst worden ist. Verschiedene Städte hatten sich über die geringe Größe der „Pipen“ des „Gobinschen wines“, also die Ablasshähne an den Weinfässern, beschwert.[6] Die in Lübeck anwesenden Vertreter der hansischen Städte kamen daraufhin überein, Briefe an Frankfurt (Oder), Guben und Crossen (Krosno Odrzańskie) zu senden, in denen man darum bat, die Hähne bei ihrer herkömmlichen Größe zu belassen. Wie diese Auseinandersetzung gelöst worden ist, lässt sich nicht feststellen.
Abb. 2: Die Kirche des ehemaligen Benediktinerinnenklosters Guben. Durch ein Schutzbündnis mit den Herren von Cottbus stand die Gubener Bürgerschaft neben dem Kloster Neuzelle auch dem Kloster vor der Altstadt von Guben bei.
Trotz stetig wechselnder Herrscher im Markgrafenamt der spätmittelalterlichen Niederlausitz[7] war der Gubener Rat um die Wahrung der ihm zugebilligten Stadtrechte bemüht. Eine grundsätzliche Forderung war hierbei, die Stadt nicht von der Markgrafschaft zu trennen, worüber Markgraf Dietrich der Jüngere 1298 eine entsprechende urkundliche Verfügung ausstellte.[8] Wenig später jedoch wurde die Niederlausitz 1301 an das Erzbistum Magdeburg verkauft, so dass sich Guben 1304 bei Erzbischof Burchard für eine Bestätigung aller Rechte einsetzte.[9] Der Erzbischof konnte jedoch den Besitz der Niederlausitz nicht halten. Sie ging stattdessen an die Markgrafen von Brandenburg. Der Gubener Rat musste erneut eine Bestätigung seiner Rechte einholen, die 1306 schließlich Markgraf Hermann von Brandenburg leistete. Er fügte seinem Privileg die Bemerkung hinzu, dass all jene in schriftlicher Form vorliegenden Rechte Gubens weder von ihm noch seinen Nachfolgern jemals beeinträchtigt werden sollten.[10] Sein beharrlicher Einsatz um Rechtewahrung sicherte dem Gubener Rat zugleich den Status als landesherrliche Stadt. Dies verdient besondere Aufmerksamkeit, da die Niederlausitz während des 14. Jahrhunderts in kurzen Zeitabschnitten an verschiedene Dynastien fiel, womit der Gubener Bürgerschaft durchaus die Gefahr eines allmählichen Verlustes von Rechten drohend vor Augen stand.
Aus diesem Grund verließ sich der Rat von Guben nicht allein auf die Bestätigung seiner Rechte durch Landesherren, sondern suchte darüber hinaus das Bündnis mit anderen Städten, auch über die Grenzen der Niederlausitz hinaus. So schloss sich Guben beispielsweise 1321 einem Bündnis märkischer Städte zum gegenseitigen rechtlichen Schutz an, das nach dem Aussterben der brandenburgischen Askanier geschlossen worden war.[11] Auch im näheren Umfeld suchte der Gubener Rat Bündnispartner, wie etwa die Herren Johann und Richard von Cottbus, die die Stadt Guben 1319 in all ihren Rechten zu schützen versprachen. Dies umfasste ebenso den Einsatz bewaffneter „Mannen“, die im Gefahrenfall ebenso den Klöstern Guben und Neuzelle Beistand leisten sollten. Zudem legte man in gegenseitigem Einvernehmen fest, sich hinsichtlich der Gefolgschaft gegenüber einem neuen Herrn der Niederlausitz abzustimmen. Hierrüber sollte zunächst ein achtköpfiges Gremium beraten, in dem u.a. der Gubener Schultheiß Johan mitwirkte.[12] So wird Gubens im 14. Jahrhundert erlangte städtische Autonomie deutlich, die zu einer selbstbewussten Aneignung von Rechten führte, die üblicherweise die Markgrafen wahrnahmen.
Abb. 3: Rathaus und Stadtkirche in Gubin/Guben. Ein deutsch-polnischer Förderverein hat sich dem Wiederaufbau der im zweiten Weltkrieg stark zerstörten spätgotischen Stadtkirche verschrieben.
Der Gubener Rat hatte innerhalb dieser zeitlichen Periode außerdem seine Stellung gegenüber der eigenen Stadtbevölkerung gefestigt, wie ein Privileg des Herzogs Johann von Görlitz aus dem Jahr 1384 veranschaulicht. Unter Berufung auf einen Rechtsakt seines Vaters Karl IV. und auf Bitten der Gubener Ratsleute bestätigte Johann der Stadt die freie Ratswahl. Demnach sollten die Gubener „ebare vnd och wiczczige“ (ehrbare und wissende) Personen „jn yrre stat kysen vnd welen“ (kiesen und wählen). Die Bürgerschaft wurde dazu vom Herzog angehalten, sich den Weisungen dieses gewählten Rates zu unterwerfen ohne „alle wedirrede“ und unter Androhung schwerer fürstlicher Ungnade bei Zuwiderhandlungen. Der Rat erfuhr so eine Bestätigung seines Willkürrechts, das im Sinne des Gemeinwohls („der stat czu eren vnd czu nuccze“) ausgeübt werden sollte.[13] Mit der Formulierung rekurrierte der Herzog im Sinne des Rates auf einen im Mittelalter verbreiteten Topos, der das Selbstverständnis des städtischen Regierens immanent bestimmte.
Autor: Sascha Bütow
Anmerkungen:
[1] Johann Wilhelm Neumann (Bearb.): Die Urkunden des Gubener Rathsarchives, in: Neues Lausitzisches Archiv, Bd. 36 (1860), S. 35-71, hier S. 36.
[2] Konrad Wutke (Hg.): Die schlesische Oderschiffahrt in vorpreußischer Zeit. Urkunden und Aktenstücke (= Codex Diplomaticus Silesiae 17), Breslau 1896, S. 1.
[3] Johann Georg Lebrecht Wilke (Hg.): Ticemannus sive vita illustris Principis Theodoric, Leipzig 1754, Diploma Nr. CXXI, S. 151–155, hier S. 154.
[4] Vgl. Rudolf Lehmann: Fürstenberg, in: Handbuch der historischen Stätten Deutschlands, Bd. 10: Berlin und Brandenburg, hg. v. Gerd Heinrich, Stuttgart 19953, S. 192f., hier S. 192. Zu Guben ebd., S. 210–214, S. 201.
[5] Adolph Friedrich Riedel (Hg.): Codex Diplomaticus Brandenburgensis. Sammlung der Urkunden, Chroniken und sonstigen Quellenschriften für die Geschichte der Mark Brandenburg und ihre Regenten, 41 Bde., Berlin 1838–1869, hier Bd. 2, 1, Nr. CCCCLXVIII, S. 382.
[6] Georg Waitz u. Karl Koppmann (Bearb.): Hansetage von 1256-1370, Leipzig 1870, S. 321-326, hier S. 323, Nr. 266.
[7] Allgemein dazu Marek Wejwoda: Spielball mächtiger Nachbarn? »Die Lausitzen« im 14. Jahrhundert, in: Die Nieder- und Oberlausitz – Konturen einer Integrationslandschaft, Bd. 1: Mittelalter (= Studie zur brandenburgischen und vergleichenden Landesgeschichte 11), hg. v. Heinz-Dieter Heimann, Klaus Neitmann u. Uwe Tresp, Berlin 2013, S. 191–203.
[8] Wie Anm. 1, S. 39.
[9] Ebd., S. 41.
[10] Ebd., S. 41f.
[11] Wie Anm. 5, Reihe B, Bd. 1, Berlin 18643, Nr. 561, S. 467.
[12] Wie Anm. 1, S. 48–50.
[13] Urkunden zur Geschichte des Herzogs Johann von Görlitz, in: Neues Lausitzisches Archiv, Bd. 35 (1860), S. 403–432, hier S. 410f.
Zitation:
Sascha Bütow: Gubin / Guben. Ein Marktort magdeburgischer Prägung an der Neiße, in: Das Magdeburger Recht. Baustein des modernen Europa, 21.12.2021, https://magdeburg-law.com/de/magdeburger-recht/historische-staedte/gubin-guben/
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Abb.3: wikimedia commons, creative commons 1.0, Foto: A. Sawin