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Stadtgründung mit Infrastrukturplanung – Frankfurt an der Oder und das Berliner Stadtrecht:

Im Jahr 1253 erhielt Frankfurt an der Oder das Berliner, eigentlich Magdeburger Recht, worüber zahlreiche Darstellungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten erschienen sind.[1] Es muss betont werden, dass die Stadtrechtsverleihungsurkunde Frankfurts eine umfassende infrastrukturelle Planung erkennen lässt, deren Auswirkungen bis heute spürbar sind. Folgt man dem Text der in mehrfachen Editionen vorliegenden Urkunde, so hatten die Einwohner unter Leitung Gottfrieds von Herzberg die Aufgabe, einen Markt einzurichten, auf dem der Bau eines Kauf- bzw. Rathauses erfolgenden durfte. Dazu gehörten weitere Gebäude wie Buden, Bänke und Scharren, die als Verkaufsstände dienen sollten. Ein weiteres Bauwerk, das sich in Planung befand, war die über die Oder führende Brücke. Ihre Errichtung kostete die Stadtgründer ohne Zweifel große Kraftanstrengungen sowohl in materieller als auch arbeitstechnischer Hinsicht. Die Aufwendungen trug allein die entstehende Bürgerschaft. Allerdings gestattete der brandenburgische Markgraf Johann im Gegenzug die Erhebung eines Zolls, der nach Vollendung der Brücke von jedem Nutzer erhoben werden durfte. Dieser bildete die materielle Grundlage eines Do-ut-des-Prinzips, nach dem die Tüchtigkeit von Verkehrsinfrastrukturen gewährleistet werden sollte. Obgleich solche Einnahmen in Wirklichkeit oft zweckentfremdet wurden, darf der Zoll keineswegs auf eine reine „Handelsbelastung“ reduziert werden.

Zu den in infrastruktureller Hinsicht wichtigen Gebäuden zählten auch Mühlen, welche der Schulheiß der Stadt errichten durfte und die das Umland in nachhaltiger Weise an Frankfurt banden. In der Nähe der geplanten Brücke legten die Einwohner einen Hafen an, der – anders als es der Begriff vermuten lässt – wahrscheinlich aus mehreren Anlegestellen bestand, an denen die Schiffe auf das Ufer fahren konnten. Mit diesen und weiteren Rechten ist die infrastrukturelle und wirtschaftliche Basis der neuen Marktstadt an der Oder gelegt worden. Darüber hinaus diente das im Zusammenspiel von Markgraf und Untertanen errichtete Frankfurt der Erschließung und Erfassung des Raumes, worauf der verdiente Landeshistoriker Winfried Schich mehrfach hingewiesen hat.[2] Der brandenburgische Markgraf beabsichtigte mit Frankfurt eine herrschaftliche Durchdringung und Festigung seiner Macht. Sollte dies gelingen, musste die Siedlung durch entsprechende Förderung einen Fixpunkt des Verkehrs bilden, womit in Frankfurt der grundlegende Zusammenhang von Stadtgründung und deren Einfluss auf die Entwicklung des Wegenetzes aufgezeigt werden kann.[3] Der Erfolg dieser Planung lässt sich mit der von Erhard Etzlaub 1501 angefertigten Straßenkarte veranschaulichen, die Frankfurts Stellung innerhalb eines europaweiten Verkehrswegenetzes mit über 800 Städten in beeindruckender Weise darstellt.[4]

Aus dieser Perspektive heraus muss Frankfurts Stellung verstanden werden: Landesherrliche Förderung und ratsherrliches Engagement hatten bis zum Ausgang des Mittelalters einen Zwangspunkt des Verkehrs entstehen lassen. Wege-, Zoll- und Stapelrechte griffen weit ins Umland aus und lenkten den Verkehr auf Frankfurt hin. Dies allein auf städtischen Egoismus zu beschränken, wie es oft in der Forschung getan wurde, hieße zugleich die Ursprünge und Entwicklung jener Strukturen bis zurück zur Stadtrechtsverleihung zu ignorieren. Tatsächlich führte das Handeln des Frankfurter Rates über bloßes Eigeninteresse hinaus, wie etwa die zwischen 1308 und 1438 mehrfach geschlossenen Städtebündnisse belegen. Die rechtlichen Kompetenzen des Frankfurter Rates hatten sich schrittweise auf das Umland ausgeweitet. So verpflichtete sich die Stadt Frankfurt 1399 beispielsweise, die Sicherheit auf den Verkehrswegen zu gewährleisten „vnsen gnedighen heren vnde syne lande zu ghude“.[5] Diesem Anspruch folgten durchaus Taten, indem man Friedensbrecher und Straßenräuber verfolgte. Häufig wurden diese nach ihrer Gefangennahme in Frankfurt verhört und zuweilen gerichtet. Ein Beispiel ist Hans von Bomsdorff, der am 12. Juni 1503 in Frankfurt nach ergangenem Rats- und Schöffenurteil enthauptet worden ist.[6] Sein älterer Bruder Andreas befehdete in der Folgezeit von seinem Stammsitz Grano bei Guben aus mehrfach die Stadt Frankfurt. Aus dem Jahr 1505 ist so zu erfahren, dass er den Sohn des Frankfurter Bürgermeisters Nikolaus Kune auf einer Reise nach Lübben überfallen und dabei einen hohen Geldbetrag erbeutet hat.[7] Vielfach strengte Frankfurt gemeinsam mit anderen Städten, aber auch im Verbund mit Fürsten einen ordentlichen Prozess gegen die Täter an. 1506 konnten auf diese Weise schließlich auch Andreas von Bomsdorff und einige seiner Verbündeten verurteilt werden. Ihr Prozess fand im schlesischen Sagan (Żagań) statt, wohin der Frankfurter Rat mehrere Vertreter entsandte, um der Urteilsfindung und der daran anschließenden Enthauptung der Straftäter beizuwohnen.[8]

Abb. 1: Seit dem Mittelalter profitierte die Stadt Frankfurt vom Oderhandel. Als ein wichtiges Transportmittel diente dabei der Kahn, dessen Bauweise sich über Jahrhunderte kaum änderte. (Postkarte um 1900)

Obgleich diese Beispiele durchaus Frankfurts Einfluss auf das Verkehrswegenetz und seine Nutzer unterstreichen, war die Stadt doch kaum so egoistisch, wie oft behauptet wird. Hierzu zählt die Tatsache, dass das Stapelrecht der Stadt keineswegs für jeden Verkehrswegenutzer verbindlich war, sei es, weil er es schlicht ignorierte oder weil er entsprechende Freiheiten genoss. Der bedeutsame Berliner Oderhandel etwa umging sehr häufig Frankfurt, peilte stattdessen Oderberg oder auch Schwedt an.[9] Ähnliches zeigt sich mit Blick auf die Oderschifffahrt, für die der Stadtrat das Stapelrecht ebenfalls kaum umfassend durchzusetzen vermochte. So berichtet der Frankfurter Stadtschreiber Nikolaus Teymler in seinen Aufzeichnungen von Umladevorgängen auf dem Fluss zum Schaden der Stapelrechte seiner Heimatstadt.[10] Aber auch der Frankfurter Rat selbst räumte verschiedenen Personen das Privileg auf freie Passage ein, wie etwa 1372 dem Greifswalder Bürger Hermann Palitz, der nach Guben fuhr.[11]

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Macht des Frankfurter Rates durchaus Grenzen gesetzt worden sind. So nämlich behielt sich Kurfürst Joachim I. 1509 in deutlichen Worten das Recht vor, alle Streitigkeiten „von engerung oder verpawung des freyen stroms und der Scheffart uff der oder“ selbst entscheiden zu können, obgleich er der Stadt eine Mitverantwortung dabei zuerkannte.[12] Diese bedeutsame Rolle Frankfurts fußte zu einem erheblichen Maß auf dem 1253 erhaltenen Stadtrecht, das die örtliche Infrastrukturplanung mit ihrer Wirkung ins Umland von Beginn an berücksichtigte.

Abb. 2: Luftaufnahme der Stadt Frankfurt (Oder) mit der Stadt Słubice in der Polnischen Republik. Die Kampfhandlungen im Zweiten Weltkrieg haben den mittelalterlichen Stadtkern Frankfurts erheblich zerstört.

Autor: Sascha Bütow

Anmerkungen:

[1] Zu den Diskussionen um den Frankfurter Stadtbrief vgl. zuletzt Monika Kilian-Buchmann: Frankfurt (Oder) im 13. und 14. Jahrhundert. Untersuchungen zur Bevölkerungsstruktur und Siedlungsentwicklung, Jacobsdorf 2008 (Frankfurter Jahrbücher 2008/2009), S. 113f.

[2] Zuletzt dazu Winfried Schich: Von Frankfurt an der Oder nach Landsberg an der Warthe. Die Anfänge der markgräflichen Städtegründungen in der Neumark unter Johann I. und Otto III., in: Landesherr, Adel und Städte in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Neumark, hg. v. Klaus Neitmann. Berlin 2015, S. 183–212.

[3] Allgemein dazu Dietrich Denecke: Straßen und Weg im Mittelalter als Lebensraum und Vermittler zwischen entfernten Orten, in: Mensch und Umwelt im Mittelalter, hg. v. Bernd Herrmann, Stuttgart 1986, S. 203–219, bes. S. 206f.

[4] Sascha Bütow u. Benjamin Schwuchow (Bearb.): Die Nieder- und Oberlausitz im Bild historischer Karten, hg. v. Heinz-Dieter Heimann u. Klaus Neitmann, Berlin 2014 (Studien zur brandenburgischen und vergleichenden Landesgeschichte 15), S. 14–15.

[5] Codex Diplomaticus Brandenburgensis. Sammlung der Urkunden, Chroniken und sonstigen Quellenschriften für die Geschichte der Mark Brandenburg und ihrer Regenten, hg. v. Adolph Friedrich Riedel, Reihe A–D, 41 Bde., Berlin 1838–1869, hier Reihe A, Bd. 24, Nr. XCVI, S. 393f., hier S. 393.

[6] Richard Jecht: Görlitzer Acheldemach aus den Jahren 1498-1513, in: Neues Lausitzisches Magazin 85 (1909), S. 108–216, hier S. 167.

[7] Ebd. S. 132.

[8] Ebd., S. 139.

[9] Herbert Helbig: Gesellschaft und Wirtschaft der Mark Brandenburg im Mittelalter (Veröffentlichungen der historischen Kommission zu Berlin 41), Berlin, New York 1973, 92f.

[10] Wie Anm. 5, Reihe A, Bd. 23, Nr. CDXVII, S. 380–422, hier S. 383.

[11] Ebd., Nr. CLIX, S. 111.

[12] Codex Diplomaticus Brandenburgensis Continuatus, hg. v. Georg Wilhelm von Raumer, 2 Bde., Berlin, Stettin, Elbing 1831–1833, hier Bd. 2, Nr. XXII, S. 235.

 

Zitation:

Sascha Bütow: Frankfurt a. d. Oder. Stadtgründung mit Infrastrukturplanung – Frankfurt an der Oder und das Berliner Stadtrecht, in: Das Magdeburger Recht. Baustein des modernen Europa, 16.12.2021, https://magdeburg-law.com/de/magdeburger-recht/historische-staedte/frankfurt-a-d-oder/

Bildnachweise:

Abb.1: zeno.org (gemeinfrei)

Abb.2: wikimedia commons, Foto: Willi Wallroth