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Ein Marktflecken in der Altmark und seine mittelalterliche Rechtsgeschichte zwischen Landesherrn und Adelsherrschaft:

„[Groß] Apenburg war immer Marktflecken und bezeichnete sich nur gelegentlich als Stadt“ stellt die Stadthistorikerin Evamaria Engel fest. Trotz ihrer Einschätzung und trotz rudimentärer mittelalterlicher Quellenlage weist Apenburg eine beachtenswerte Stadtrechtsgeschichte auf, wie sie nur wenige vergleichbare Kleinststädte und Flecken besitzen. Das Verhältnis zum brandenburgischen Landesherrn einerseits und zum adligen Stadtherrn anderseits war hierbei von großer Relevanz.

Apenburg, im Unterschied zum nahgelegenen gleichnamigen Dorf Klein Apenburg, früher Groß-, seit 1997 Flecken Apenburg genannt, geriet im 14. Jahrhundert in die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen dem brandenburgischen Markgrafen Ludwig und Herzog Otto von Braunschweig. Dabei brannte der Ort 1343 vollends nieder und wurde mit Unterstützung Ludwigs an jetziger Stelle neu aufgebaut. Im heutigen Siedlungsgrundriss ist die planmäßige Neuanlage Apenburgs noch zu sehen: die Hauptstraße (heute Vorderstraße) führt als zentrale Achse durch den Ort und wird von zwei Parallelstraßen (Hinterstraße und Lindenwall) flankiert. So ergibt sich das Bild eines abgerundeten Stadtgrundrisses, dem die Purnitz im Westen und ein mit ihr verbundener Wassergraben im Osten als Schutz dienten.

Der Markgraf gewährte den Ratsherren („Consules“) und der Stadtgemeinde („universitas opidi“) 1344 umfängliche Privilegien und Besitz, worunter städtische Hufengrundstücke wie z.B. Wiesen, Wälder, Gewässer und Weiden fielen. Unter diesen Grundstücken wird ein „altes Feld“ hervorgehoben, das sehr wahrscheinlich bereits zur Flur der zerstörten Vorgängersiedlung gehört hatte. Die Abgaben, die aus der Nutzung dieser städtischen Liegenschaften an den Landesherrn zu entrichten waren, ließ der Markgraf für sechs Jahre auf fünf Mark reduzieren, die jeweils zu Walpurgis (30. April) und am Martinstag (11. November) fällig waren.

Im Jahr 1351 übertrug Markgraf Ludwig Apenburg per Lehnsakt an die ihm getreue Familie von der Schulenburg. Diese übernahm daraufhin die lokale Stadtherrschaft und ließ zum Zeichen ihrer Macht neben der Stadt eine neue Burg errichten, deren Reste noch heute vorhanden sind. Die rund 200 mittelalterlichen Einwohner der Stadt Apenburg erlebten so einen Wandel ihres Rechtsstatus, da der Marktflecken nunmehr mediat und Teil adliger Herrschaftsbildung war. Gleichwohl ließen Bürgermeister und Ratsmannen keinen Zweifel an der Gültigkeit ihrer städtischen Rechte aufkommen, wovon das ab 1349 begonnene Stadtbuch zeugt, das durch den Apenburger Bürgermeister geführt worden ist. Es enthält neben zahlreichen rechtlichen Vereinbarungen eine Aufzeichnung des Apenburger Stadtrechts aus dem Jahr 1402. Aus dieser wird ersichtlich, dass die Kommune die Rechtsgewohnheiten der Stadt Salzwedel übernommen hatte. Einleitende Worte erwähnen, dass die Übertragung der Rechte einst durch den brandenburgischen Markgrafen vorgenommen worden sei. Diesen Hinweis auf die höchste Autorität in der Markgrafschaft Brandenburg dürften Bürgermeister und Ratsherren auch gegenüber der Familie von der Schulenburg geäußert haben, wenn es in wiederholten Verhandlungen um die Bestätigung städtischer Rechte ging. Den bestehenden Machtverhältnissen konnte dies aber kaum etwas anhaben.

Nichtsdestotrotz gilt die schriftliche Aufzeichnung des Salzwedeler Rechts in Apenburg als eine Besonderheit. Sie spiegelt das Selbstverständnis einer verhältnismäßig kleinen Bürgerschaft wider. Im Stadtbuch wird erwähnt, dass es die Apenburger waren, denen eine Anwendung der aus Salzwedel übernommenen Rechte nötig und zweckmäßig erschien: „[…] dar uns des noet unde behoff ys […].“ Dies lässt darauf schließen, dass die Apenburger Bürger selbst die treibende Kraft der Rechtsübertragung gewesen sind und den brandenburgischen Markgrafen mit der Bitte um Bestätigung des Salzwedeler Rechts ansuchten. Das Stadtbuch ist ein beredtes Zeugnis dafür, dass ihnen dies gelang. Mit der Übernahme des Stadtrechts konnten die Apenburger Bürger im nur rund 20 Kilometer entfernten Salzwedel bei strittigen Rechtsfragen um Lösungsvorschläge bitten. Wie oft dies geschah, ist nicht überliefert. De facto dürfte sich die Familie von der Schulenburg gegen konkurrierende Rechtsurteile von außen gewehrt haben, denn das Schöffengericht von Apenburg wurde mit der Herrschaft der Familie von der Schulenburg in deren Landgericht intergiert. Eine aus der Frühneuzeit stammende Gerichtsordnung des Jahres 1572 besagt, dass sechs Schöffen dieses Gremium besetzten: jeweils zwei stammten aus Beetzendorf sowie Apenburg und zwei weitere waren Schulzen umliegender Dörfer. Mit dieser Einbindung der Schöffengemeinschaft in das schulenburgische Landgericht konnte die adlige Familie einen hohen Einfluss auf das Gerichtswesen in Apenburg ausüben.

Auch die ratsherrliche Politik war von einer solchen Einflussnahme, wie sie für mediate Siedlungen typisch ist, erfasst. Eine Urkunde aus dem Jahr 1445 bezeugt die durch Markgraf Friedrich von Brandenburg gebilligte Einrichtung dreier Jahrmärkte mit Viehmarkt in Apenburg. Bei genauer Betrachtung wird deutlich, dass diese Privilegierung auf Bitten der Familie von der Schulenburg vorgenommen worden war, welcher der Markgraf besondere „Gunst und Gnade […] für ir Stettlin Apenborch“ zukommen ließ. Dies veranschaulicht den großen Einfluss der Familie von der Schulenburg innerhalb der städtische Politik Apenburgs, in der sie immer wieder stellvertretend für die Bürgerschaft agierte.

Über die ratsherrliche Politik im Mittelalter liegen abgesehen von einigen Urkunden und dem schon erwähnten Stadtbuch kaum aussagekräftige Quellen vor. Es ist jedoch anzunehmen, dass sich Bürgermeister und Rat für eine Befestigung Apenburgs stark machten. Eine massive Mauer wie in anderen größeren Städten gab es in Apenburg nicht. Stattdessen schützten Planken und die schon erwähnten Gräben das Gemeinwesen. Spuren dieser mittelalterlichen Wehrhaftigkeit sind noch heute sichtbar. Der in die Stadt führende Verkehr wurde an zwei im Jahr 1444 erwähnten Toren überwacht: das alte oder auch Gardelegener Tor und das neue bzw. Salzwedeler Tor. Die aus der Stadtverwaltung erwachsenden Aufgaben wie z.B. Marktaufsicht, Städtebau und Schriftführung waren mit großer Wahrscheinlichkeit zwischen den Ratsherren in üblicher Weise getrennt. Seit 1344 sind Bürgermeister und vier Ratsherren bezeugt. Im Übergang zur Frühen Neuzeit lässt die Ausdifferenzierung dieser Ämter nach, so dass im 18. Jahrhundert ähnlich einer dörflichen Siedlung nur noch zwei Schulzen als oberste Vertreter Apenburgs genannt werden.

In karitativen und sozialen Aufgaben wurden die Ratsherren durch eine auch in Apenburg tätigte Kalandbruderschaft unterstützt, die sich Kranker und Hilfebedürftiger annahm, aber auch Durchreisende und Hilfesuchende im Sinne spätmittelalterlicher Frömmigkeit und christlicher Nächstenliebe versorgte. Dem Kaland in Apenburg gehörten nachweislich nicht nur Männer, sondern auch Frauen an. Die Gemeinschaft besaß innerhalb der Stadt mehrere Häuser und wurde von einem Dekan geleitet. Einen Großteil der Verwaltungsaufgaben erledigte ein Kämmerer, da er u.a. für Ein- und Ausgaben zuständig war. Seelsorgerisch wurde der Kaland von einem Priester und weiteren Geistlichen betreut. Wie aus Urkunden zu erfahren ist, war der Apenburger Kaland eng mit demjenigen aus Betzendorf verknüpft. Ohne einen vollständigen Eindruck erlangen zu können, dürfte der Kaland somit eine wichtige Säule des sozialen Miteinanders in Apenburg gewesen sein.

Vor dem Hintergrund einer Gesamtbewertung der städtischen Entwicklung Apenburgs hat Berent Schwineköper darauf verwiesen, dass der „überwiegend aus Ackerbürgern bestehende Ort […] nie besondere Bedeutung“ erlangt hat. Freilich bleibt eine derartige Interpretation stets von den angesetzten Kriterien abhängig. Aus Sicht der rechtsgeschichtlichen Forschung weist Apenburg mit seiner Verbindung zum Salzwedeler Recht auf eine regional begrenzte Ausbreitung und Ausstrahlkraft dieses besonderen mittelalterlichen Stadtrechts hin. Diesen für einen Marktflecken durchaus wichtigen Prozess trugen nicht zuletzt Bürgermeister, Ratsherren und Bürgerschaft Apenburgs mit.

Autor: Sascha Bütow

 

Weiterführende Literatur:

Lieselott Enders: Die Altmark. Geschichte einer kurmärkischen Landschaft in der Frühen Neuzeit (Ende des 15. bis Anfang des 19. Jahrhunderts), 2. Aufl., Berlin 2016.

Evamaria Engel: Chancen für ein neues Deutsches Städtebuch der ostdeutschen Bundesländer, in: Der weite Blick des Historikers. Einsichten in Kultur- Landes- und Stadtgeschichte, Peter Johanek zum 65. Geburtstag, hg. v. Wilfried Ehbrecht u.a., Köln/Weimar/Wien 2002, S. 257–266.

Heiner Lück: Sächsisch-magdeburgisches Recht zwischen Elbe und Dnjepr, in: Kulturelle Vernetzung in Europa. Das Magdeburger Recht und seine Städte, hg. v. Gabriele Köster, Christina Link u. Heiner Lück, Dresden 2018, S. 13–27.

Peter P. Rohrlach (Bearb.): Historisches Ortslexikon für die Altmark, Bd. 1, A–K. Berlin 2018, S. 41–47.

Albert Schulenburg: Zur Geschichte des Marktfleckens Groß-Apenburg, in: Jahresbericht des Altmärkischen Vereins für vaterländische Geschichte 34 (1907), S. 129–138.

Berent Schwineköper: Groß Apenburg, in: Handbuch der historischen Stätten, Bd. 11, Provinz Sachsen-Anhalt, hg. v. Berent Schwineköper, 2. Aufl., Stuttgart 1987, S. 153–154.

Zitation:

Sascha Bütow: Apenburg. Ein Marktflecken in der Altmark und seine mittelalterliche Rechtsgeschichte zwischen Landesherrn und Adelsherrschaft, in: Das Magdeburger Recht. Baustein des modernen Europa, 15.09.2020, https://magdeburg-law.com/de/magdeburger-recht/historische-staedte/apenburg/