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Herzberg an der Elster – Ratsherren kommunizieren Stadtrecht

Wie für so viele Städte gibt es auch für das an der Elster gelegene, heute zu Brandenburg gehörende Herzberg keine Stadtrechtsverleihungsurkunde. Vorhandene Quellen verdeutlichen jedoch, dass die Grafen von Brehna die frühstädtische Entwicklung der Siedlung, die in guter Verkehrsanbindung in ihrem Herrschaftsgebiet zwischen Fläming, Elbe und Niederlausitz lag, unterstützten. Graf Dietrich von Brehna verlieh 1239 seinem oppidum „Hirtsbergh“ einen an der Elster gelegenen Wald mit Hölzern, Grasung und allen weiteren Nutzungsrechten.[1] Herzberg wird an dieser Stelle noch als oppidium, also Städtchen oder Marktort, bezeichnet, den die hier ebenfalls erwähnten Bürger (burgensi) bereits ein gutes Stück aufgebaut hatten. Sie suchten nach weiteren Privilegien zur Nutzung der um Herzberg liegenden Landschaft, in der der Baustoff Holz gewonnen, aber auch Weide- und Anbauflächen geschaffen werden konnten.

Die 1239 dokumentierte Aneignung landschaftsbezogener Rechte ist typisch für mittelalterliche Städte und machte einen Grundpfeiler ihrer Wirtschaft aus. Folglich lassen sich für Herzberg weitere Bestrebungen des Rates aufzeigen. So bestätigte Graf Conrad von Brehna Herzberg 1271 ein weiteres Gehölz, das in Richtung der benachbarten Siedlung Gräfendorf („Grevendorp“) in der Nähe der dortigen Mühle Postberg („Posberge“) lag. Herzberg wird in diesem Zusammenhang erstmals civitas, also Stadt, genannt.[2] Folglich ist unstrittig, dass sich die Bürgerschaft Stadtrecht angeeignet hatte. Allerdings erfolgt kein Hinweis darauf, von welchem Ort das Stadtrecht übernommen worden ist.

Vieles spricht allerdings dafür, dass sich Herzberg an den nahen, westlich der Elbe gelegenen Orten mit Magdeburger Recht orientierte. Mit diesen ging die Stadt außerdem Bündnisse ein. Selbstbewusstsein strahlt z.B. ein 1306 zwischen Herzberg, Aken und Wittenberg geschlossener Vertrag aus, der sich gegen die Macht der herzoglich-sächsischen Vögte richtete. Die drei Städte schworen einander Eintracht und gegenseitigen Beistand für den Fall, dass es bei einem von ihnen zu einer Verletzung der Rechte und Freiheiten durch Vögte komme. Zeige sich die betreffende Bürgerschaft dann widersetzlich, sollten die anderen beiden für die Rechtmäßigkeit dieses Handelns vor dem sächsischen Herzog als ihren obersten Herrn bürgen und einstehen, gleich so als wären sie selbst davon betroffen.[3] An dieser Stelle zeigt sich ein hohes Maß an Autonomiestreben, das danach trachtete, die Rechtsprechung der vom Herzog beauftragten Vögte und ihre auf die Städte bezogenen Ansprüche einzuschränken, wenn nicht sogar zu beseitigen.

Auch einzelne Herzberger Bürger treten im 14. Jahrhundert namentlich hervor und erlangten mitunter bedeutenden Einfluss. Ein Beispiel hierfür ist Hermann Zülßdorff, der 1391 seinem Landesherrn, Herzog Rudolph III. von Sachsen, einen Betrag in Höhe von 50 Schock böhmischer Groschen lieh und als Auslösung dieser Summe an dem Geleit der Stadt Herzberg finanziell beteiligt wurde.[4] Zülßdorff sollte demzufolge fünf Groschen erhalten, die aus den Einnahmen des Geleits stammten und jährlich vom Herzberger Rat an den Herzog gezahlt wurden. Diese Regelung sollte solange andauern, bis der Betrag der ursprünglich geliehenen Summe beglichen war. Der Fall steht stellvertretend für den inzwischen in Herzberg gewachsenen bürgerlichen Wohlstand, der nicht zuletzt mit der günstigen Verkehrslage der Stadt an der niederen Heerstraße zwischen Leipzig und Frankfurt an der Oder zusammenhing.[5]

Den Markt in Herzberg beherrschten vor allem die sogenannten Viergewerke, die 1398 erstmals urkundlich erwähnt werden. Dies waren die Schuster, Tuchmacher, Fleischer und Bäckern. Sie stellten nach dem Rat eine wichtige politische Gemeinschaft in der Stadt dar. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Viergewerke in Herzberg nach dem Vorbild der Stadt Wittenberg eingerichtet worden sind.[6] Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Herzberger Ratsherren dort des Öfteren Auskünfte in rechtlichen Fragen eingeholt haben müssen.

Bezüglich der Regelungen des Magdeburger Rechts stimmten sich die Ratsherren aus Herzberg auch mit den Nachbarstädten ab. So kam es 1417 zu einer Übereinkunft mit der Stadt Torgau hinsichtlich derjenigen Erbgüter von Bürgern, für die es keine Erben gab und die somit an die Heimatstadt dieser Bürger fielen. Aufgrund geschlossener Ehen zwischen Familien aus Torgau und Herzberg muss es häufiger passiert sein, dass Nachlässe in Torgau an den Rat von Herzberg gelangten und Vergleichbares andersherum eintrat. Aus diesem Grund einigten sich die Räte beider Städte, auf die an sie gefallenen Erbgüter in dem jeweils anderen Ort keine Besitzansprüche geltend zu machen. Dieses Abkommen sollte sowohl für Heergewäte, das Erbe für männliche Nachkommen, als auch die Gerade, die für weibliche Nachkommen bestimmten Erbteile, gelten. Es zeigt sich hier eine mit dem Magdeburger Recht „begründete Kommunikation der Städte im juristischen Sinne“,[7] wie sie von der Rechtsgeschichtsforschung auch andernorts festgestellt worden ist. Demnach blieb Städten rechtlich vieles unbekannt und konnte erst durch Austausch mit anderen Bürgerschaften konsensual und pragmatisch gelöst werden.

Dieser Praxis bedienten sich die Herzberger Ratsherren über Generationen hinweg, in denen sie sich ebenso energisch um die Wahrung ihrer städtischen Rechte bemühten. Boten sich entsprechende Chancen, nutzten sie Herrschaftswechsel geschickt für die Bestätigung jahrhundertealter Stadtprivilegien. Einen wichtigen Moment hierbei markiert das Aussterben der sächsischen Askanier 1422, denen Herzberg als Herzöge von Sachsen-Wittenberg gehörte. Noch ehe das Herzogtum gemeinsam mit der zugehörigen Kurwürde ein Jahr später an Friedrich den Streitbaren von Wettin überging,[8] traten die Herzberger Ratsherren an den römischen-deutschen König Sigismund heran. An ihn als Oberlehnsherrn war das Herzogtum 1422 zurückgefallen und dies eröffnete die Gelegenheit, die Herzberger Stadtrechte von höchster Instanz bestätigen zu lassen. Ein Blick in die hierzu auf den 18. Februar 1421 datierte Königsurkunde offenbart grundlegende Modalitäten der seit alters praktizierten Ratsherren- und Bürgermeisterwahlen in Herzberg. Folglich bestand der Rat aus sechs Personen, jeweils zwei wurden von den Reichen, den Gewerken und der übrigen Bürgerschaft gestellt. „Mit gantzer Einträchtigkeit“ sollten diese Ratsherren einen neuen Bürgermeister wählen.[9] Nach Ablauf eines Jahres war turnusgemäß der Rücktritt des Bürgermeisters und dreier Ratsherren vorgesehen, je einer von den Reichen, den Gewerken und der übrigen Bürgerschaft. Für sie sollte wiederum je ein Vertreter aus den drei städtischen Gruppen nachrücken. Der so besetzte neue Rat wählte anschließend einen neuen Bürgermeister. Im Rahmen der jährlich absolvierten Wahlen mussten die vier scheidenden Amtsträger ihren Nachfolgern gegenüber einen Rechenschaftsbericht ablegen.

Der Rat war die höchste richterliche Instanz innerhalb der Stadt. Er durfte durch Mitbürger verübte Missachtungen der städtischen Gesetze zur gerichtlichen Verhandlung bringen und strafen. Desgleichen sollten auch Streitigkeiten zwischen herzoglich-sächsischen Amtsleuten und Herzberger Bürgern einzig vor dem Stadtgericht verhandelt und entschieden werden. Dies war eine deutliche Stärkung der Kompetenzen der städtischen Rechtsprechung. Sie zeigt, dass sich der Herzberger Rat in seinen bereits 1306 gegen die Vögte gerichteten Bestrebungen entscheidende Vorteile sichern konnte. Dass die Ratsherren von Herzberg diese umfassenden Regelungen zur Wahl kommunaler Ämter und die Verfügungen zum Stadtgericht als Fundamente der städtischen Verfassung ansahen, belegt eine zuletzt in der königlichen Urkunde getätigte Festlegung. Hiernach sollte nämlich der Text des Dokuments anlässlich der jährlich durchgeführten Bürgermeisterwahl öffentlich verlesen werden. Auf diese Weise ließ der Herzberger Rat essentielle Grundsätze des Stadtrechts kommunizieren und innerhalb der Einwohnerschaft gedanklich verfestigen. In dieser Praxis spiegelt sich zugleich ein bedeutendes Stück bürgerlichen Selbstverständnisses wider, das auf den erworbenen und stets verteidigten Freiheiten der Stadt fußte.

Autor: Sascha Bütow

Anmerkungen:

[1] Diplomataria et scriptores historiae Germanicae medii aevi, Bd. 3, hg. von Christian Schöttgen und Georg Christoph Kreysig, Altenburg 1760, S. 393, Nr. 3.

[2] Ebd., S. 394, Nr. 5.

[3] Vgl. ebd., S. 402, Nr. 24.

[4] Vgl. ebd., S. 455, Nr. 143.

[5] Vgl. Rainer Aurig: Möglichkeiten und Grenzen interdisziplinärer Altstraßenforschung: Vorwiegend mit Beispielen aus der westlichen Niederlausitz, in: Im Schatten mächtiger Nachbarn. Politik, Wirtschaft und Kultur der Niederlausitz, hg. von Klaus Neitmann, Potsdam 2006, S. 111–139, bes. S. 121f.

[6] Vgl. Heinrich Kamm: Studien über die Oberschichten der mitteldeutschen Städte im 16. Jahrhundert, Teilbd. 1 (= Mitteldeutsche Forschungen 87/1), Köln/Wien 1981, S. 193.

[7] Inge Bily, Wieland Carls und Katalin Gönczi: Sächsisch-magdeburgisches Recht in Polen. Untersuchungen zur Geschichte des Rechts und seiner Sprache (= Ius Saxonico-Maideburgense in Oriente 2), Berlin/Boston 2011, S. 27.

[8] Anschaulich dazu Steffen Raßloff: Mitteldeutsche Geschichte. Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Magdeburg/Leipzig 2016, S. 70.

[9] wie Anm. 1, S. 488, Nr. 112.

 

Zitation:

Sascha Bütow: Herzberg an der Elster – Ratsherren kommunizieren Stadtrecht, in: Das Magdeburger Recht. Baustein des modernen Europa, 01.12.2023, https://magdeburg-law.com/de/magdeburger-recht/historische-staedte/herzberg-elster/