Von Wunderblut und Stadtbränden – Beelitz im Mittelalter:
Auch wenn die Spargelstadt Beelitz zu den ältesten Orten der Mark Brandenburg zählen mag, liegt vieles über ihre mittelalterliche Geschichte im Dunkeln. Viele wichtige Quellen zur Stadtgeschichte fielen Feuerbrünsten zum Opfer, die die Stadt vor allem im 15. und 16. Jahrhundert heimsuchten. Die Entwicklung der Stadt lässt sich so nur in Grundzügen erkennen. Und doch zeigt sich, dass zu Beelitz mehr gehört als der berühmte Spargel und die berüchtigten Heilstätten.
Als erste Erwähnung von Beelitz gilt eine von Kaiser Otto III. im Jahr 997 ausgestellte Urkunde, in welcher dem Erzbistum Magdeburg der Burgward Belizi übertragen wurde. Lange war umstritten, ob es sich hierbei um Beelitz oder das etwa 30 Kilometer entfernte Belzig handelt. Beide Gemeinden beanspruchen auf ihren Internetseiten diese Erwähnung noch heute für sich. Die Forschung vertritt seit längerem die Ansicht, die Urkunde beziehe sich auf Beelitz und jüngste archäologische Grabungen erbrachten den Nachweis einer – bisher lediglich vermuteten – Burg innerhalb der slawischen Siedlung des Frühmittelalters direkt am Ufer der Nieplitz. Mit diesem materiellen Nachweis kann die Identifizierung von Belizi mit Beelitz als sicher gelten. Die Lage des Burgwards in unmittelbarer Flussnähe passt auch zum Ortsnamen, der aus dem Slawischen stammt und etwa „Siedlung im sumpfigen Gebiet“ bedeutet.
Das Schicksal von Burg und Siedlung liegt für die nächsten 200 Jahre nach der Ersterwähnung im Dunkeln. Ein zweites Mal wird Beelitz erst in einer Urkunde des Jahres 1216 erwähnt, die sich jedoch nicht auf die slawische Siedlung und die Burg bezieht, sondern auf eine neuentstandene Siedlung nördlich davon. Der Grundriss dieser neuen Siedlung unter altem Namen lässt sich auch heute noch im Stadtbild erkennen. Die im Süden der heutigen Gemeinde gelegene Altstadt hat die Form eines unregelmäßigen Rechtecks, die in Gründungsstädten des späten 12. und frühen 13. Jahrhunderts häufiger anzutreffen ist. Sie wird zudem komplett von der „Mauerstraße“ umschlossen, deren Name auf die einstige Existenz einer Stadtmauer an dieser Stelle verweist. Weder diese, noch die in verschiedenen Urkunden genannten Tore haben sich bis in die Gegenwart erhalten.
Welche politischen Akteure hinter der Entstehung des „neuen“ Beelitz stehen, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Vermutet wird, dass zunächst die Grafen von Belzig die Herrschaft über die Stadt ausübten und für die Anlage der neuen Siedlung verantwortlich waren. Um 1200 sei das Erzbistum Magdeburg in den Besitz von Beelitz gelangt und etwa hundert Jahre später sei Beelitz in den Besitz der Askanier gekommen. Es handelt sich hier allerdings um Vermutungen der Forschung. Bezeugt ist, dass Verbindungen zwischen Beelitz und Magdeburg bestanden und dass die Stadt am Ende des 13. Jahrhunderts im Besitz der brandenburgischen Askanier, zu diesem Zeitpunkt auch Markgrafen, war.
Mit dem Aussterben dieser askanischen Linie im Jahr 1320 begann für Beelitz, wie für die gesamte Mark, eine turbulente Zeit wechselnder Herrschaften. Auf ein Interregnum folgten Markgrafen aus den Häusern der Wittelsbacher, Luxemburger und Hohenzollern; es kam zu Konflikten, in die natürlich auch Beelitz involviert war. Stadt und Bürger agierten dabei durchaus selbstbewusst, etwa in der Episode um den falschen Woldemar. Dieser Scharlatan behauptete in der Mitte des 14. Jahrhunderts der vermeintlich 50 Jahren zuvor verstorbene askanische Markgraf zu sein und reklamierte die Herrschaft über die Mark Brandenburg für sich. Viele Städte und sogar der Kaiser glaubten ihm oder gaben zumindest vor, ihm zu glauben und erkannten seine Ansprüche an – nicht aber Beelitz, das als eine von wenigen Städten auf Seiten des amtierenden Markgrafen Ludwig verblieb!
Wie sich die Stadt entwickelt hätte, wenn sie nicht häufigen Feuersbrünsten zum Opfer gefallen wäre, lässt sich kaum erahnen. Zuerst im Jahr 1478 durch brandenburgische Truppen in Brand gesetzt, die die durch Truppen Johanns II. von Sagan eroberte Stadt befreien wollten, kam es vor allem im 16. Jahrhundert immer wieder zu großen Brandkatastrophen. Diese prägten die städtische Topographie und vernichteten einen Großteil der schriftlichen Überlieferung – auch dies ein Grund, warum über die Geschichte der Stadt Beelitz im Mittelalter wenig auszusagen ist und sich diese Epoche kaum im Stadtbild erhalten hat.
Abb. 1: Evangelische Stadtkirche St. Marien und St. Nikolai zu Beelitz
Lediglich die Stadtkirche St. Marien und Nikolai, die im Kern auf einen Bau des 13. Jahrhunderts zurückgeht, bildet hier eine Ausnahme. Zugleich ist sie eng mit der wohl bekanntesten Episode der mittelalterlichen Geschichte in Beelitz verbunden, dem sogenannten Wunderblut. Nach einer auf das Jahr 1247 datierten Urkunde sei es zu einem Hostienfrevel und anschließend zu einem durch Gott bewirkten Wunder gekommen. Aus der geschändeten Hostie sei Blut ausgetreten und dieses göttliche Zeichen wurde zum Ausgangspunkt einer regional bedeutsamen Wallfahrt. Jedem Pilger, der die Stadt am Festtag Maria Himmelfahrt aufsuchen würde, wurde ein Ablass von 40 Tagen in Aussicht gestellt. Am Schauplatz des Geschehens wurde eigens ein Bau errichtet, die sogenannte Wunderblutkapelle. Diese befand sich zwar in unmittelbarer Nähe zur Stadtkirche, war zunächst baulich getrennt von dieser, bildet jedoch heute nach verschiedenen Umbauten die Nordwestecke von St. Maria und Nikolai. Die Wallfahrt zum Wunderblut nach Beelitz bestand bis zur Reformation. Die Anfänge der Wallfahrt sind nach Ansicht der Forschung nicht in die Mitte des 13. Jahrhunderts zu setzen, wie die Urkunde, bei der es sich um eine spätere Fälschung handelt, sondern liegen wohl rund 100 Jahre später.
Die Wunderblutepisode lenkt den Blick zugleich auf die inneren Verhältnisse der Stadt Beelitz im Mittelalter. Da für spätere Geschichtsschreiber feststand, dass nur Juden den Hostienfrevel begangen haben könnten, folgerte die neuere Forschung, dass es in der Mitte des 13. Jahrhunderts eine jüdische Gemeinde in Beelitz gegeben haben muss. Dies führte wiederum zu dem Schluss, die Stadt müsse eine gewisse wirtschaftliche Bedeutung besessen haben, denn anderenfalls hätten sich hier keine Juden angesiedelt. Diese These ist nicht zu halten und eine jüdische Gemeinschaft erst im 18. Jahrhundert sicher belegt.
Was aber lässt sich überhaupt über Wirtschaft und Handel in der Stadt Beelitz im Mittelalter aussagen? Erstaunlich wenig, so wird man feststellen. Handwerksgilden etwa sind für das Mittelalter nicht bezeugt, auch wenn es vor Ort sicher verschiedene Gewerbe gab. Die Bürger der Stadt scheinen vor allem vom Ackerbau gelebt zu haben, zudem gab es viele Lehnbürger, die zur städtischen Oberschicht gehört haben dürften. Eine Bedeutung als Handelsstadt scheint Beelitz nur im regionalen Bezugsrahmen besessen zu haben, dabei besaß sie aus verkehrstopographischer Sicht durchaus Potential. So war ihre Lage an wichtigen Verkehrswegen vielleicht gar der Grund für die Förderung der Stadt im 12. und 13. Jahrhundert: Eine West-Ost-Route, die von Belzig über Beelitz nach Trebbin führte und womöglich die Anlage der neuen Siedlung beeinflusste. Wenig später wurde Beelitz jedoch als Etappenort auf einer Berlin und Leipzig verbindenden Route wichtig. Die Bürger der Stadt waren nicht nur für die Instandhaltung der Wege und die Sicherheit der Reisenden verantwortlich, sondern es gab auch Vorgaben, dass Reisende in Beelitz Station zu machen hatten. Trotz dieser exponierten Lage entwickelte sich Beelitz nicht zu einem Handelsort von überregionaler Bedeutung und es blieb dort bei einem Straßenmarkt, der die lokalen Bedürfnisse erfüllte. Das Abhalten eines großen und kleinen Jahrmarkts in der Stadt ist urkundlich überliefert.
Ähnlich wenig ist über die innerstädtischen Verhältnisse auszusagen. Die erhaltenen Urkunden – viele Zeugnisse, die tieferen Einblick gewährt hätten, sind wohl den verschiedenen Zerstörungen der Stadt zum Opfer gefallen – lassen zwar die Verfassung erkennen, nicht jedoch konkrete Abläufe. Ratsleute, seit dem frühen 14. Jahrhundert bezeugt, und Bürgermeister, erstmals 1373 erwähnt, treten nur als Repräsentanten der Stadt in größeren politischen Situationen in Erscheinung, etwa bei Stadtbestätigungen, anlässlich von Huldigungen sowie in Bündnis-, Rechts- und Finanzangelegenheiten. Näheres, etwa über die Personen oder ihr Wirken in die Stadt hinein, ist nicht zu erkennen. Gleiches gilt für das in Beelitz geltende und gesprochene Recht. In den Urkunden werden die alten Rechte und Gewohnheiten der Stadt zwar häufiger bestätigt, doch worin diese genau bestanden, wird nicht deutlich. Die Existenz eines Schulzen, dem die städtische Rechtsprechung oblag, ist bezeugt, jedoch ist kein Beispiel für sein Wirken überliefert. Zu erfahren ist, dass im Jahr 1463 das Stadtgericht an den Vogt von Trebbin übertragen wurde – sicher ein herber Verlust für Beelitz –, doch erlaubt auch dies keinen Einblick in die Rechtswirklichkeit. Die Geltung des Magdeburger Rechts in Beelitz ist ebenso nicht explizit bezeugt, doch sprechen allgemeine Beobachtungen, wie etwa der Wechsel der Ratsherren, und die Beziehungen, die zwischen Beelitz und Magdeburg im Mittelalter bestanden, hierfür.
Abb. 2: Das 1563 erbaute und mehrfach durch Brände beschädigte Rathaus von Beelitz mit der Fassade von 1842 (© 2013, Stadt Beelitz).
Die mittelalterliche Geschichte der Stadt Beelitz wird so in vielen Bereichen nur in Umrissen deutlich. Das Bild, das sich zeigt, zeugt von einer Stadt, die um die Wahrung ihrer Rechte und ihrer Privilegien bestrebt war und in der sich eine Bürgergemeinde entwickelte, die sich eigenständig und selbstbewusst positionierte. Wie das Leben in der Stadt selbst in dieser Zeit aussah, ist hingegen kaum zu erkennen und die meisten Informationen hierzu sind wohl den Flammen zum Opfer gefallen, die die Stadt allzu oft heimsuchten.
Autor: Michael Belitz
Weiterführende Literatur:
Helmut Assing: Beelitz im Mittelalter, in: 1000 Jahre Beelitz – 750 Jahre Stadt Beelitz, hg. v. der Stadtverwaltung Beelitz, Mering 1997, S. 26-47.
Sascha Bütow: Verkehrsraum Fläming in überlandschaftlichen Konturen. Spätmittelalterliche Wegelenkung, Straßenbaumaßnahmen und historische Kartographie, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 151 (2015), S. 275–290.
Dieter Hoffmann-Axthelm: Das Wunderblut von Beelitz, in: Die Wilsnackfahrt. Ein Wallfahrts- und Kommunikationszentrum Nord- und Mitteleuropas im Spätmittelalter, hg. v. Felix Escher u. Hartmut Kühne (= Europäische Wallfahrtsstudien 2), Frankfurt 2006, S. 199–233.
Tilo Köhn u. Lutz Partenheimer: Beelitz und Belzig im Streit um eine Tausendjahrfeier. Ein Beitrag zur Ostpolitik Kaiser Ottos III. im Jahre 997, Potsdam, Fichtenwalde 1996.
Lutz Partenheimer: Beelitz, in: Städtebuch Brandenburg und Berlin, hg. v. Evamaria Engel u.a. (= Deutsches Städtebuch, Neubearbeitung, Bd. 2), Stuttgart, Köln, Berlin 200, S. 26–30.
Zitation:
Michael Belitz: Beelitz. Von Wunderblut und Stadtbränden – Beelitz im Mittelalter, in: Das Magdeburger Recht. Baustein des modernen Europa, 09.12.2021, https://magdeburg-law.com/de/magdeburger-recht/historische-staedte/belitz/
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Abb.1: wikimedia commons, Foto: A.Savin