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Unter klösterlicher Obrigkeit vom Dorf zum Städtchen:

Die heutige Kreisstadt Luckenwalde gehörte im Mittelalter nicht zu den bedeutenden Städten im Fläming, sondern stand im Schatten größerer Kommunen wie etwa dem benachbarten Jüterbog. Gleichwohl ermöglichte ihre Lage im Grenzgebiet zwischen dem Erzbistum Magdeburg, der Mark Brandenburg sowie der Niederlausitz einen im Spätmittelalter wachsenden Marktverkehr. Luckenwalde bildete dabei einen Etappenpunkt auf dem Weg zwischen Berlin und Leipzig, der über Wittenberg, Zahna, Jüterbog, Luckenwalde und Trebbin führte.[1] Diese Route stand jedoch in Konkurrenz zu einer zweiten über Rietz, Treuenbrietzen, Beelitz und Saarmund verlaufenden Straße, so dass Luckenwalde nur eingeschränkt von den mittelalterlichen Verkehrsströmen profitierte.

Abb. 1: Luckenwaldes Lage im Verkehrsraum des Flämings, starke Konkurrenten der wirtschaftlichen Entwicklung waren u.a. Treuenbrietzen und Jüterbog

Dennoch entwickelte sich innerhalb des Ortes, der seit 1285 dem Kloster Zinna gehörte,[2] im 15. Jahrhundert ein gewisser Wohlstand, der sich auf Markttreiben und Gewerbe stützte. Die Einwohner Luckenwaldes erhielten in diesem Zusammenhang vom Magdeburger Erzbischof Günther im Jahr 1430 ein bedeutsames Privileg, wonach sie Bier brauen sowie Handel und Handwerk treiben durften. Damit genoss Luckenwalde wichtige städtische Rechte, geriet hierdurch allerdings in Konflikt mit dem Jüterboger Rat, der das Brauen im Gebiet des Klosters Zinna zugunsten des eigenen städtischen Marktes zu unterbinden beabsichtigte. Die hierzu von Jüterbog vor dem Magdeburger Erzbischof angestrengte Klage führte zu dem Ergebnis, dass der Abt von Zinna nach wie vor brauen durfte, die unter seiner Herrschaft stehenden Dörfer aber nicht. Eine explizite Ausnahme bildete das „dorff“ Luckenwalde mit dem Verweis, dass dessen Einwohnern das Brauen und Verkaufen gestattet sei, „wenne sie wollen“. Zudem war dem Ort erlaubt, „handtwerglüte zu haben In allermasse als [es] In Steten“ der Umgebung der Fall war.[3] Dieser Vergleich mit den umliegenden Städten zeigt sehr deutlich, dass Luckenwalde im Begriff war, seinen Siedlungsstatus als Dorf hinter sich zu lassen. Wie in der Forschung betont wird, schien dem Kloster Zinna diese Entwicklung wichtig zu sein.[4] 1471 schließlich werden Bürgermeister, Rat und Ratsherren, 1480 sogar ein Rathaus erwähnt.[5] Damit wird deutlich, dass im spätmittelalterlichen Luckenwalde eine ratsherrliche Verfassung galt, wie sie für Städte typisch ist.

Abb. 2: Der Marktturm in Luckenwalde gilt bis heute als Wahrzeichen der Stadt. Seit dem Spätmittelalter nutzt ihn die benachbarte Pfarrkirche St. Johannes als Glockenturm, die ältesten Teile stammen aus dem 12. Jahrhundert (Foto Jörgen Kosche).

Nicht zuletzt durch Erzbischof Günthers Vergleich mit den Privilegien benachbarter Städte liegt die Vermutung nahe, dass sich die Einwohner Luckenwaldes an den Regelungen des Magdeburger Rechts orientierten. Dies lässt ebenso eine nicht näher datierbare rechtliche Auseinandersetzung der Witwe Hedwig Palm um Geldzahlungen des in Luckenwalde lebenden Hans Schwueck vermuten, vor deren Hintergrund die sich am Magdeburger Recht orientierenden Schöffen der Stadt Luckau hilfesuchend eingebunden worden sind.[6] Obgleich ein Stadtrechtsprivileg nicht überliefert ist, erscheint Luckenwalde im Übergang zum 16. Jahrhundert als ein mit wichtigen kommunalen Rechten ausgestattetes oppidum, also Städtchen, wie die fragmentarisch überlieferte Chronik des Klosters Zinna belegt.[7] Für die Siedlung scheinen die Leinenweber besonders wichtig gewesen zu sein, wie die Bildung einer entsprechenden Gilde belegt, die für das Jahr 1493 nachgewiesen ist.[8] Sie ist gleichzeitig ein Nachweis für die wendischen Einwohner, die in großer Zahl in Luckenwalde lebten und wie andernorts eigene Rechte besaßen.

Die kommunale Entwicklung Luckenwaldes lässt sich wenig später zudem an einer 1540 vom Zinnaer Abt Matheus abgefassten Willkür ablesen, womit „alle Erbarckeit, zucht und guter wandel“ aufrecht erhalten werden sollten.[9] In dieser Quelle wird Luckenwalde als Flecken bezeichnet, worunter eine kleinstädtische Siedlung mit Marktverkehr und Gewerbe zu verstehen ist. Die Willkür des Abtes wurde vor dem Hintergrund der sich ausbreitenden Reformation und aus obrigkeitlicher Macht in Konsens mit dem Magdeburger Erzbischof Albrecht verfasst. Entsprechend beinhaltet sie vor allem Regelungen bezüglich des Gottesdienstes und zur Beibehaltung des katholischen Glaubens.

Abb. 3: Spielbrett des „Glückshausspieles“ von 1583 aus dem Bayerisches Nationalmuseum in München

In diesem Zusammengang muss auch die Luckenwalder Gemeinde genauer betrachtet werden. So wird in der Willkür u.a. von Bäckern und Krämern, also Kleinhändlern, berichtet, die es bei Strafe unterlassen sollten, ihre Waren während der Gottesdienste und Messen zum Verkauf anzubieten. Ferner werden Brauer und Schenke genannt, die das Topfspiel (topffelspiel) in ihren Gast- und Wirtshäusern unterbinden sollten. Für dieses auch als Glückshaus bekannte, im Spätmittelalter populäre Spiel nutzte man Karten oder Würfel und spielte um Geld, weshalb es v.a. von Geistlichen stigmatisiert worden ist (Abb. 3). Bezogen auf die Verfassung Luckenwaldes verdient die Regelung Beachtung, dass die Wirte dem Rat das Glückspiel anzuzeigen hatten, woraufhin die Spieler von den Ratsherren ernstlich bestraft werden sollten. Letztere besaßen innerhalb Luckenwaldes die strafende Gewalt und zogen die Bußen als Geldzahlungen ein. Einem vom Kloster bestellten Vogt war es als „überrichter“ erlaubt, sich in die Bestrafung von Gewalttätern und Aufwieglern einzuschalten. Den Rat seinerseits unterstützten bei der Überwachung der Gemeindeordnung „Stadt Knechte“, deren Aufgabe es u.a. war, Fremden die Gewohnheiten und Regelungen in Luckenwalde zu vermitteln.

Nach der Auflösung des Klosters Zinna im Jahr 1553 blieb Luckenwalde herrschaftlich mit dem Erzbistum Magdeburg verbunden und wurde von einem Amtshauptmann verwaltet. Dieser übernahm vom Kloster die hohe Gerichtsbarkeit, während der Luckenwalder Rat die niedere Gerichtsbarkeit, die er bereits durch Erzbischof Günther 1430 bestätigt bekommen hatte, behielt.[10] Die Bevölkerung Luckenwaldes wuchs im 16. Jahrhundert, wie sich am Ausbau der Jüterboger Vorstadt Mitte des 16. Jahrhunderts in südwestliche Richtung und später an der Entstehung der Trebbiner Vorstadt im Norden erkennen lässt.[11] Trotz der herrschaftlichen Umbrüche blieben ältere Wirtschaftszweige des Klosters wie etwa der Weinanbau erhalten. Er wurde nunmehr von einer 1556 gestifteten Weinherrengilde in kommunaler Trägerschaft fortgeführt.[12] Auch das Bierbrauen blieb ein bedeutender Teil der Luckenwalder Wirtschaft, wie die Nennung der Brauerinnung 1608 belegt. Es zeigen sich somit deutlich Kontinuitäten einer längeren, sich vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit ersteckenden städtischen Entwicklung Luckenwaldes, welches 1680 schließlich an Brandenburg fiel.

Abb. 4: Umzeichnung des Luckenwalder Stadtsiegels von 1637; die beiden Abtsstäbe verweisen auf die einstige Stadtherrschaft des Klosters Zinna

Autor: Sascha Bütow

Anmerkungen:

[1] Sascha Bütow: Verkehrsraum Fläming in überlandschaftlichen Konturen. Spätmittelalterliche Wegelenkung, Straßenbaumaßnahmen und historische Kartographie, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 151 (2015), S. 275–290, hier S. 277.

[2] Fritz Geisthardt: Luckenwalde, in: Handbuch der historischen Stätten Deutschlands, Bd. 10: Berlin und Brandenburg, hg. v. Gerd Heinrich, Stuttgart 19953, S. 271–273, hier S. 271.

[3] Magdeburg, Landesarchiv Sachsen-Anhalt Abt. Magdeburg, Rep. A 2, Nr. 988, fol. 7v.

[4] Oliver H. Schmidt u. Dirk Schumann: Zinna. Zisterzienser, in: Brandenburgisches Klosterbuch. Handbuch der Klöster, Stifte und Kommenden bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, Bd. 2, hg. v. Heinz-Dieter Heimann, Klaus Neitmann u. Winfried Schich, Berlin 2007, S. 1359–1384, hier S. 1367.

[5] wie Anm. 2, S. 272.

[6] Rudolf Lehmann (Bearb.): Quellen zur Geschichte der Niederlausitz, Teil 2, Köln/Wien 1976, Anhang Nr. 3, S. 110.

[7] Vgl. dazu den Eintrag in der fragmentarisch überlieferten Chronik des Klosters Zinna bei Adolf Friedrich Riedel (Hg.): Codex Diplomaticus Brandenburgensis, Reihe D, Bd. 1, Berlin 1862, Nr. 12, S. 296f.

[8] Willi Hoppe: Eine mittelalterliche Leinewebergilde in Luckenwalde, in: Forschungen zur brandenburgisch-preußischen Geschichte 24 (1911), S.529–546.

[9] Adolf Friedrich Riedel (Hg.): Codex Diplomaticus Brandenburgensis, Reihe A, Bd. 11, Berlin 1857, Nr. 259, S. 472.

[10] Peter P. Rohrlach (Bearb.): Historisches Ortslexikon für Brandenburg. T. X: Jüterbog-Luckenwalde, Weimar 1997, S. 312.

[11] wie Anm. 2, S. 272.

[12] Roland Fröhlich: Die Zisterzienser und ihre Weinberge in Brandenburg, Berlin 2010, S. 191.

 

Zitation:

Sascha Bütow: Luckenwalde. Unter klösterlicher Obrigkeit vom Dorf zum Städtchen, in: Das Magdeburger Recht. Baustein des modernen Europa, 29.06.2021, https://magdeburg-law.com/de/magdeburger-recht/historische-staedte/luckenwalde/

Bildnachweis:

Abb.1: Ausschnitt der Karte „Fernhandelswege im mitteldeutschen Raum vom 13. bis zum 16. Jahrhundert“. Magdeburg, Zentrum für Mittelalterausstellungen, Kartographie G. Pápay

Abb.2 u. 3: Wikimedia Commons/Public Domain

Abb.4:  Knorrepoes, Wikimedia Commons/Public Domain