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Rechte erweitern, Rechte ausleben – Ein mittelalterlicher Ort in Brandenburg und seine städtischen Privilegien:

Heute im Land Brandenburg gelegen, gehörte das mittelalterliche Beeskow zur Markgrafschaft Niederlausitz, die nach verschiedenen Herrschaftswechseln zwischen Wettinern und Askaniern seit 1368 für Jahrhunderte mit dem Königreich Böhmen verbunden blieb. Die städtische Entwicklung Beeskows setzte bereits viel früher, in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts ein, als sich ein Dienstmann der Wettiner, Reinhard von Strehle, einen größeren Besitz um die späteren Städte Beeskow und Storkow aneignete. Um 1250 war das Herrengeschlecht von Strehle bereits in zwei Linien geteilt. Während die eine in Storkow ansässig war, bekam die andere die Burg Beeskow als herrschaftlichen Sitz zugesprochen.

Abb.1: Burg Beeskow, über Jahrhunderte Sitz des Beeskower Stadtherrn, mit dem Bergfried aus der 1. Hälfte des 14. Jh., das Aussehen der Burganlage durch Umbauten 1518 unter Bischof Dietrich von Lebus geprägt

Im Schutz dieser Burg entstand eine anfänglich mit Gräben und Planken geschützte Marktsiedlung, deren erste urkundliche Erwähnung aus dem Jahr 1272 stammt. Zu dieser Zeit stand ihr ein Aufseher (praefectus) namens Heinrich vor, der ein Lehnsträger der Herren von Strehle war. Zusammen mit dem Markplatz wird das Beeskower Rathaus zum ersten Mal 1283 erwähnt, wobei letzteres nicht ausschließlich ein politischer Versammlungsort war, sondern zeittypisch auch als Kaufhaus diente. Um den Beeskower Markt herum siedelten sich im 13. Jahrhundert mehrere Gewerbe an, die nach und nach mit Rechten ausgestattet wurden. Alle Gewerbe erhielten spezifische Verkaufsrechte auf dem Markt. Beim Verfassen der einzelnen Reglungen und ihres genauen Wortlautes holte sich der Beeskower Rat Hilfe bei den Schöffen der Stadt Luckau, die ihr Wissen in mehreren Briefwechseln in den 1280er Jahren mitteilten. Aufgrund dieser Korrespondenz ist darauf geschlossen worden, dass Beeskow das Luckauer Recht rezipierte, welches eine enge Verwandtschaft zum Magdeburger Recht aufweist. Der Beeskower Markt und die mit ihm verknüpften Rechte bilden den Ursprung der civitas Beeskow und ihrer städtischen Rechte, die im Verlauf des 14. Jahrhunderts eine starke Erweiterung erfuhren.

Mit Billigung des Herzogs Rudolph von Sachsen-Wittenberg gelang es den Bürgern von Beeskow, ein hohes Maß an Autonomie und Selbstverwaltung zu erreichen. So bestätige der Landesherr seiner Stadt 1321 umfängliche Rechte, wie die hohe Gerichtsbarkeit, die Herauslösung der Bürgerschaft aus dem Gerichtsbezirk des Burgherrn, den Bau einer Stadtmauer, die Zollerhebung für das auf der Spree geflößte Holz sowie die Gleichwertigkeit städtischer Münzen mit denen in Luckau und Guben. Dieses Bündel von Rechten entspricht wichtigen städtischen Privilegien. Mit der hohen Gerichtsbarkeit durfte der Beeskower Rat über Leib und Leben entscheiden. Außerdem durfte er städtische Angelegenheiten nach eigenem Gutdünken ohne Einmischung des Burgherrn regeln. Sofern also der Burgherr, der Lehnsmann des Landesherrn war, rechtliche Streitigkeiten auszufechten hatte, die die Verhältnisse der Stadt Beeskow betrafen, durfte er sie nicht vor dem Burggericht zur Entscheidung bringen, sondern musste das städtische Gericht anrufen. Mit dem Bau der Stadtmauer wurden nicht nur Aspekte der städtischen Sicherung verfolgt. Zinnen, Tore, Türme und Wiekhäuser verdeutlichten darüber hinaus die besondere Wehrhaftigkeit der Bürgerschaft und waren repräsentative Zeichen für jedermann, der sich der Stadt näherte. Zudem waren sie Ausdruck des städtischen Rechts und der ratsherrlichen Rechtsprechung innerhalb der Stadtmauer.

Abb.2: Das Wiekhaus in der Stadtmauer von Beeskow (Foto Steffen Kurtze)

Ohne Zweifel entwickelte sich aufgrund dieser und weiterer Privilegien innerhalb der Beeskower Bürgerschaft ein hohes Selbstbewusstsein, sodass sich die Stadt im August 1321 an einem Bund märkischer und niederlausitzischer Städte beteiligte. Dieser übernahm Maßnahmen zur Friedensicherung und bewahrte die städtischen Freiheiten der einzelnen Mitglieder, die in Zeiten unsicherer Herrschaftsverhältnisse einander unterstützten.

Die Aufmerksamkeit des Beeskower Rates bezog sich auch auf das kommunale Miteinander. Stets hatte er das Wohl der Gesamtbevölkerung im Blick. Im Beeskower Stadtbuch, das der Rat anlegen ließ um die Rechte und Statuten zu sammeln und zu dokumentieren, sind z.B. Regeln für eine Hochzeitsfeier überliefert. So durfte die Anzahl der Hochzeitsgäste nicht mehr als 20 „par volkes“ betragen. Die Regulierungsgewalt des Rates ging so weit, dass er allen Zunftmitgliedern untersagte, barfuß auf die Straße zu gehen oder am Glücksspiel teilzunehmen. Auch die Beeskower Schützengilde war von ratsherrlichen Reglungen betroffen. Es wurde u.a. festgelegt, dass, sofern sich die Schützen „jn vneinigheit roufften“ oder „schlugen, das nicht blutrunst were“, sie diese Konflikte untereinander beilegen und „nicht vor dem Richter“ verhandeln sollten. Ein eigens hierzu formulierter Paragraph belegt, dass es nicht selten zu Handgreiflichkeiten in der Schützengilde gekommen sein dürfte.

Die Ratsherren von Beeskow regelten außerdem das soziale Miteinander von Slawen und Deutschen. Sie legten für die Beskower Gewerke fest, dass die Meister auf die deutsche Abstammung ihrer Lehrlinge achten mussten. Slawisch stämmige Person durften nicht ausgebildet werden, so ein 1353 abgefasstes Statut für die Schumacher. Solche Regeln verfolgten keine Maßnahmen im heutigen fremdenfeindlichen und nationalistischen Sinn. Mit der Gründung Beeskows inmitten des slawischen Siedlungsgebietes ergaben sich im Gegensatz hierzu vielfältige Verbindungen zwischen den deutschstämmigen Kolonisten und den slawischen Altsiedlern, die nicht selten in Eheschließungen mündeten. Die Forderung der deutschen Geburt richtete sich gegen Personen aus dem Umland, die in Beeskow ein Handwerk erlernen und ansässig werden wollten. Die Bewegung der Landbevölkerung in die Stadt ist eine typische Erscheinung des 14. Jahrhunderts, die durch sich wandelnde Lebensbedingungen wie klimatische Veränderungen, Bevölkerungsrückgang, Räuberbanden, Agrardepression, verschärfte Hörigkeit usw. hervorgerufen wurde. Um die Anzahl ihrer Mitglieder möglichst konstant zu halten, versuchten sich die Zünfte in Beeskow mit ihren Statuten vor den „Zugezogenen“ zu schützen, die – bedingt durch das Siedlungsgebiet – meist slawisch stämmig waren.

Abb.3: Marienkirche am Markplatz von Beeskow, einst Stolz der Beeskower Bürger, im 2. Weltkrieg stark beschädigt, die Ruine erst nach der politischen Wende wiederaufgebaut

Auch die Polizeigewalt übte der städtische Rat aus. An Markttagen schickte er Beamte auf den Markt, die Gewichte und Maße der Händler überprüften. Als auf dem Jahrmarkt 1427 bei einem Krämer ein Gewicht entdeckt wurde, „das nicht vulkomelichin gross genugk“ war, wollte der Rat den Händler ahnden. Doch Stadtherr Friedrich von Bieberstein ließ den Missetäter „vff der gassen“ packen und auf seine Burg führen. Daraufhin erklärten die Vertreter des Rates, dass der Krämer vor das städtische Gericht und nicht vor den Burgherrn geführt werden müsse. Friedrich von Bieberstein entgegnete, dieses Recht sei aber in den vom Rat vorgezeigten Briefen nicht enthalten, so er die Angelegenheit zu Recht entscheide: „Habit irs denn ouch in euwern brieffe nicht […], hoffe ichs ouch bilche vnde von recht zcu behalden.“ Hiermit überging er die städtische Autonomie und Selbstgerichtsbarkeit, die Herzog Rudolph von Sachsen Beeskow einst zuerkannt hatte. Da es der Stadt nicht möglich war ihre Vorrechte zu belegen, holten sich die Ratsherren Rechtsauskunft bei den Magdeburger Schöffen. Gleichwohl diese der Stadt Beeskow Recht gaben und das Vorgehen Friedrich von Biebersteins verurteilten, konnte es nichts daran ändern, dass sich der Stadtherr über das Magdeburger Urteil hinwegsetzte und den Streit mit dem Krämer vor seinem Gericht verhandeln ließ. Im Laufe des 15. Jahrhunderts musste Beeskow zunehmend seine Rechte und Freiheiten gegenüber dem Stadtherrn verteidigen und konnte sich immer seltener zu Wehr setzen. Dennoch begehrte die Stadt weiter auf. Als die Familie Biberstein Beeskow wegen Geldnot kurzerhand an die pommerschen Herzöge abtrat und sie wenig später zurückforderte, beriefen sich die Beeskower Ratsherren auf ihre kurz zuvor dem Pommernherzog geleistete Huldigung und versagten Johann von Bieberstein den Gehorsam. Wütend überfiel er 1425 die Stadt Beeskow, um mit Gewalt eine Huldigung der Bürger ihm gegenüber zu erzwingen. Abermals eingeholte Schöffensprüche aus Magdeburg, die solch gewaltsames Vorgehen als unrechtmäßigen Eingriff gegen die Stadt verurteilten, halfen nicht weiter. Da der Beeskower Rat nach wie vor nicht in der Lage war, seine Rechte zu belegen, blieb nur ein Vergleich mit dem Stadtherrn, wozu auch die Schöffen in Magdeburg rieten. Die Herren von Bieberstein blieben Stadtherren von Beeskow, bis 1518 Bischof Dietrich von Lebus Stadt und Burg in seinen Besitz nahm. Anders als er griffen spätere Stadtherren erneut in die kommunale Politik ein. So wies Markgräfin Katharina, Gattin des 1571 verstorbenen Markgrafen Johann von Brandenburg-Küstrin und Besitzerin von Beeskow, ihren auf der Burg Beeskow tätigen Amtmann Clemens Ludwig an, die jährlichen Wahlen des Beeskower Rates genauestens zu beobachten. Die Markgräfin bat um Informationen über die ernannten Personen und behielt sich vor, ihr ungeeignet scheinende Kandidaten abzulehnen. Landes- und Stadtherren griffen des Öfteren in die Verfassung der ihnen untergeordneten städtischen Gemeinden ein, mit dem für das 16. Jahrhundert üblichen Argument für „Erhaltung und Besserung“ der Stadtgemeinden zu sorgen. So musste sich der Beeskower Rat in die langsam wachsende brandenburgische Landesherrschaft fügen und immer öfter auf mittelalterliche Privilegien verzichten, die über mehrere Jahrhunderte die kommunale Autonomie und Rechtssicherheit bestimmt hatten.

Autor: Sascha Bütow

 

Weiterführende Literatur:

Sascha Bütow: „Uff deme Markte by dem Rathuz“. Beeskows Zentrum neu entdecken (= Beeskower Heimathefte 18), Beeskow 2011.

Evamaria Engel, Klaus Koldrack: Beeskow, in: Deutsches Städtebuch, Bd. 2, Berlin und Brandenburg, hg. v. Evamaria Engel u. a., Stuttgart 2000, S. 30–36.

Johann Wilhelm Neumann (Hg.): Das Stadtbuch der Stadt Beeskow in der Niederlausitz, in: Neue Mittheilungen aus dem Gebiet historisch-antiquarischer Forschungen, hg. v. Karl Eduard Förstemann, Bd. 4/2 (1839), S. 1–21.

Winfried Schich: Zur Diskriminierung der wendischen Minderheiten im späten Mittelalter. Die Ausbildung des „Wendenparagraphen“ in den Zunftstatuten nordostdeutscher Städte, in: Europa Regional, Heft 2 (2002), S. 57–61.

Michael Scholz: Beeskow in den herrschaftlichen und kirchlichen Strukturen des späten Mittelalters, in: Bürgerstolz und Seelenheil. Geschichte, Architektur und Ausstattung der Beeskower Marienkirche, hg. v. Dirk Schumann u. Ekkehard Krüger, Berlin 2012, S. 9–40.

Zitation:

Sascha Bütow: Beeskow. Rechte erweitern, Rechte ausleben – Ein mittelalterlicher Ort in Brandenburg und seine städtischen Privilegien, in: Das Magdeburger Recht. Baustein des modernen Europa, 06.08.2020, https://magdeburg-law.com/de/magdeburger-recht/historische-staedte/beeskow/

Bildnachweise:

Abb.1: Wikimedia Commons, Autor: Clemensfranz, CC BY-SA 4.0

Abb.3: pixabay